16. Teamarbeit

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Er betrachtet schon den Schaden, als ich hinter das Auto trete und scheint wirklich verärgert. Das hat nichts mit dem üblichen entnervten Gesichtsausdruck zu tun. „Fuck!", flucht er und fährt über die Kratzer im Lack.

Es ist lediglich die Stoßstange, doch ich verzichte ihn darauf hinzuweisen, dass diese genau dafür da ist. „Ich wusste, dass es ein Fehler war, dir mein Auto anzuvertrauen."

„Mr. Brookman, es tut mir wirklich leid", stammele ich. „Bin ich jetzt gefeuert?", füge ich hoffnungsvoll hinzu. Doch dieser „Scherz" kommt zu früh.

Es streift mich ein hasserfüllter Blick, bevor er sich abwendet. Mir ist nicht entgangen, dass sich seine Augen mit Tränen gefüllt haben. Wie viel kann einem ein Auto denn bitte bedeuten?

„Gib mir die Schlüssel", sagt er harsch, ohne mich anzuschauen. Ich drücke sie ihm in die ausgestreckte Hand und schaue dann dabei zu, wie er den Wagen perfekt in die Parklücke positioniert.

Eine Visitenkarte findet anschließend ihren Weg unter den Scheibenwischer des von mir touchierten Autos. Er holt seinen Aktenkoffer von der Rückbank, doch als er die Autotür schließen will, halte ich ihn auf.

„Es tut mir wirklich leid. Das war keine Absicht. Ich werde das wieder gutmachen." 
„Das wirst du, in dem du mit mir essen gehst."
„Nein, ich kann in meiner Pause machen, was ich will."

„Dann halt während der Arbeitszeit."
„Gut! Und jetzt her mit der Krawatte und dem Jackett... Vertrauen Sie mir."

„So wie mit meinem Auto?", fragt er, aber zieht das Jackett, sowie die Krawatte aus und wirft sie ins Auto. „Keine Ahnung, was das bringen soll. Außer, dass ich mich nun unwohl und nackt fühle."

Ich muss grinsen bei seinen Worten, denn bei seinen Blicken fühle ich mich des Öfteren nackt und unwohl.

Zusammen betreten wir das Gebäude und fahren in den ersten Stock, in dem sich das Büro von Mr. McNeal befindet. Es erstreckt sich über die ganze Etage, ist aber im Vergleich zu Brookman Enterprise ein schlechter Witz.

„Wen darf ich noch anmelden?", fragt die nette Empfangsdame an mich gewandt. „Mr. Chester Parker. Ich bin Mr. Brookmans Partner."

Ebendieser verschluckt sich wohl bei meinen Worten an seiner Spucke, so heftig wie er zu husten anfängt. „Geht es?", frage ich besorgt und klopfe ihm auf den Rücken.

„Das hat er öfter. Er verträgt die Klimaanlage nicht so gut", sage ich zu der Braunhaarigen, die uns in einen Besprechungsraum führt.

„Was soll das?", zischt er mich an, als wir alleine sind, doch schon betritt ein Mann den Besprechungsraum. „Mr. Brookman, freut mich Sie kennenzulernen. Owen McNeal", stellt er sich vor und reicht meinem Boss die Hand, bevor er sich mir zuwendet.

„Mr. Parker. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Mr. Brookman einen Partner hat."
„Freunde und Partner um genau zu sein. Wir hängen es nicht an die große Glocke. Ich bin Chester und das ist Adrian."

Mr. Brookman braucht einen Moment zu lange, um seine Gesichtszüge wieder zu ordnen. „Setzt euch doch", sagt Owen und verweist auf zwei Stühle gegenüber dem Platz, den er selbst einnimmt.

„Ich muss erstmal meine Bewunderung aussprechen", sage ich. „Meine Freundin ist ein riesiger Fan deiner Fitnessvideos. Wenn sie deinen Kanal schaut, bin ich abgeschrieben. Als ich ihr von dem Treffen erzählt habe, war sie ganz aus dem Häuschen."

Er schenkt mir ein echtes, verlegenes Lächeln. „Wow, danke. Ich fühle mich wirklich geschmeichelt. Ich habe mich auch sehr auf dieses Treffen gefreut. Hätte nicht gedacht, dass ihr so zwei lockere Typen seid. Ich bin ganz offen. Ihr seid nicht die ersten, mit denen ich verhandele. Mir ist wichtig, dass die Chemie stimmt und ich nicht das Gefühl habe, dass mir die Katze im Sack verkauft wird."

„Unsere Verträge sind alle transparent. So wie die Entwürfe, die Ihnen... dir bereits vorliegen." Ich rolle mit den Augen, was einen fragenden Blick von Owen hervorruft.

„Ach, Adrian hat manchmal echt einen Stock im Arsch, aber vielleicht kann ihn ja eins deiner Fitnessprogramme etwas lockerer machen", erkläre ich mich.
„Oder Schwimmkurs? Ich verstehe den zweiten Entwurf mit dem Schwimmbad nicht."

Bevor Mr. Brookman auch nur ein Wort sagen kann, fahre ich ihm einfach über den Mund. „Das war meine Idee", beginne ich und ernte von Mr. Brookmans ein Paar hochgezogene Augenbrauen.

„Wir haben uns deine Videos angeschaut und unter anderem auch die aus dem Urlaub. Dabei ist uns aufgefallen, dass es keine Fitnessstudio in Chicago mit Schwimmbad gibt. Du hättest sozusagen ein Monopol. Und vielleicht bekämst du Adrian sogar zu einem Yogakurs. Er sucht etwas Gelenkschonendes."

„Yoga?", fragt Owen amüsiert und Mr. Brookman presst nur ein „Ja" hervor. „Ich bin ja eher der Ausdauersportler. Komm Adrian, erzähle ihm, was du früher gemacht hast."

Er sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Okay gut, dann erzähl ich es halt. Adrian hat früher Ballett getanzt. Ich weiß, er sieht nicht danach aus, aber unter dieser harten Schale steckt ein ganz weicher Kern."

Ich lege Mr. Brookman freundschaftlich eine Hand auf die Schulter, ohne ihn anzuschauen, aber ich merke, wie sich jede Faser seines Körpers verkrampft. „Das ist gut zu wissen. Ich hätte da nämlich noch einige Punkte im Vertrag anzumerken und ich hoffe auf ein Entgegenkommen, da wir uns ja so gut verstehen."

Das ist mein Zeichen, um zu verschwinden, denn von Verträgen habe ich keine Ahnung. „Gut, dann kommen wir gerne zum geschäftlichen Teil", sagt mein Boss, der sich offensichtlich wieder gefangen hat.

„Owen, das ganze Vertragsgedöns ist nicht so mein Fall. Ich habe gehört, dass ihr hier ein Fitnessstudio für die Angestellten auf der Etage habt? Dürfte ich mir das anschauen?"

„Klar, gerne. Wende dich einfach an unsere Empfangsdame, sie zeigt dir alles. Nett dich kennengelernt zu haben. Ich hoffe, man sieht sich wieder."
„Ich hoffe in einen deiner Fitnessstudios mit Schwimmbad", sagte ich augenzwinkernd.

Nachdem ich einen Abstecher ins Fitnessstudio gemacht habe, warte ich über eine Stunde unten am Auto, bis ich endlich Mr. Brookman näher kommen sehe.

Glücklich sieht er nicht aus, die Stirn hat er in Falten gelegt, seine Lippen kräuseln sich mürrisch. „Und? Wie ist es gelaufen?", frage ich ihn, als er an mir vorbeiläuft, um auf der Fahrerseite in das Auto zu steigen. Allerdings bleibt eine Antwort aus.

Ich versuche die Beifahrertür zu öffnen, aber er verriegelt das Auto von innen. Nur die Fensterscheibe fährt er nach unten.

„Ich denke, du läufst besser zurück zum Büro.
Ausdauersport war doch dein Ding, oder?"

Dann, ohne ein weiteres Wort, startet er den Motor, schlägt das Lenkrad ein und fährt einfach davon.

Date the boss - don't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt