Kapitel 12

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„Was wollt Ihr jetzt noch von dem armen Kind? Habt Ihr es nicht schon genug zugerichtet?"

Sina hatte Schwierigkeiten, die erzürnt klingende Frauenstimme einzuordnen. In ihren Kopf drehte sich alles, die Stiche in ihrem Bauch kehrten zurück, sowie sie ein wenig wacher wurde, und ihre Füße schmerzten selbst, wenn sie diese völlig still hielt. Stöhnend vergrub sie die Finger in der Matratze.

„Resa, lass mich endlich zu Sina durch. Ich möchte meine Fähigkeiten nicht gegen dich einsetzen." Der junge Vampir knurrte leise, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen.

„Fabiu?" Sina öffnete mit Mühe ihre Augen und versuchte, sich aufzusetzen. Wimmernd gab sie es auf. „Es tut so weh."

„Keine Sorge. Ich werde mir gleich deine Fußsohlen ansehen." Er wandte sich der älteren Frau zu, die beide Fäuste in die Seiten gestemmt hatte, und sich weigerte, ihm aus dem Weg zu gehen. „Resa, Sina braucht meine Hilfe. Ich will mich nur um ihre Verletzungen kümmern. Geh bitte mit den anderen Frauen nach draußen, damit ich in Ruhe meine Arbeit verrichten kann."

„Bitte Resa," Sina keuchte angestrengt, als ihr Unterleib erneut krampfte, „bitte höre auf Fabiu."

„Du vertraust ihm?" Die Frau zögerte noch einen Moment, verließ dann seufzend mit den anderen Dienerinnen den Raum.

Fabiu hockte sich neben das Bett, ließ seinen Blick über sie schweifen. „Zumindest umziehen und säubern hätten sie dich können", brummte er. „Erlaubst du mir, dich auszuziehen und zu waschen?"

Sina nickte schwach und lehnte sich zurück. Beruhigt über die Hilfe, die Fabiu ihr bot, schloss sie die Augen. Sie spürte, wie er sie behutsam entkleidete und sie dann einen Augenblick alleinließ, nur um gleich darauf mit einer Schüssel Wasser zurückzukehren. Das leise Plätschern, das sie hörte, als er einen Lappen auswrang, erinnerte sie an einen glucksenden Bach am Rande ihres Dorfes.

Widerstandslos akzeptierte sie, dass der Vampir sie wusch. Zu Hause war es nichts Ungewöhnliches, wenn ein Mann eine Frau nackt sah oder umgekehrt. Das prüde Verhalten der Menschen hatte sie zu Anfang ihrer Reise amüsiert wahrgenommen. Kein Körper war so imposant, dass es sich lohnte, sich deswegen aufzuregen. Dazu war Fabiu ein Heiler. Von ihm ging keine Bedrohung aus.

„So, das müsste reichen. Schaffst du es alleine oder soll ich dir etwas Sauberes anziehen? Danach kümmere ich mich um deine Fußsohlen."

Sina presst die Kiefer fest aufeinander, als sie in die ihr dargebotene Kleidung schlüpfte. So elend hatte sie sich seit geraumer Zeit nicht mehr gefühlt. Mit dem Unterschied zu damals, dass ihr jetzt jemand half.

Fabiu hob sie hoch und legte sie auf ein sauberes Bett. „Das werden die Frauen sicherlich für dich aufräumen", bemerkte er mit einem Blick auf das blutverschmierte Bettzeug. „Dann zeig mal deine Füße her." Behutsam tastete er ihre geschwollenen Fußsohlen ab. Bei jedem Wimmern verfinsterte sich seine Miene mehr, bis seine Augen blutrot aufleuchteten. „Dieser verdammte Mistkerl", fluchte er.

„Es tut so weh." Tränen liefen Sina aus den Augenwinkeln über ihre Schläfen. Sie krallte die Finger ins Bettlaken, zwang sich dazu, liegenzubleiben.

„Das begreife ich, Kleines." Er holte einen Tiegel aus seiner Umhängetasche hervor. „Das wird gleich ein wenig kalt. Die Öle der verwendeten Pflanzen werden dafür sorgen, dass sich die Schwellung zurückbildet. Deine Sohlen sind blaugefärbt von den Schlägen. Blut aus unter der Haut geplatzten Adern." Er schloss die Lider, atmete mehrmals tief durch. Als er sie wieder öffnete, war das Rot verschwunden. „Wenigstens hast du keine offenen Wunden. Dann würde es noch länger dauern, bis alles verheilt ist. Dennoch wirst du einige Tage nicht laufen können." Vorsichtig rieb er ihre Füße mit der kühlenden Creme ein. „Romanu sollten wir vorläufig nicht zu dir lassen", brummte Fabiu weiter. „Aber ohne Schutz auf der Burg wird mein Va ..., wird Hermanus dich nach diesem Zwischenfall nicht lassen wollen."

VedmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt