Kapitel 27

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Einen Augenblick blieb Sina wie versteinert stehen. Sie schwankte zwischen dem Wunsch, sich aus Razvans Griff zu befreien und sich vom Turm zu stürzen, und dem brennenden Verlangen, ihm und seinen Spießgesellen die Kehle aufzuschlitzen. Freitod oder Töten, wofür entschied sie sich?

Hin- und hergerissen beobachtete sie den Kampf, spürte die Genugtuung, als Romanu einen Gegner niederstreckte und dessen Blut die Steine rot färbte. Doch erst die nächsten Worte Razvans lösten sie aus ihrer Starre.

„Es wird mir ein Vergnügen sein, ihm mit meinem Schwert den Kopf abzuschlagen. Was findest du nur an ihm, kleine Vedma? Möchtest du nicht lieber zu Füßen eines wahren Herrschers liegen als bei einem gewöhnlichen Vampir zu sein? Er wird dir nie das geben können, was ich dir zu bieten habe. Er wird dich immer nur als seine kleine Schwester sehen."

Etwas in ihr zerbrach, zersplitterte in tausend Stücke. Sie packte seinen Arm, der den Dolch hielt, und biss ihm mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, in die empfindliche Haut am Handgelenk. Gleichzeitig verhakte sie ihre Beine mit seinen und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Sie ließ sich rückwärts fallen. Sein Körper fing die Wucht des Aufpralls ab, doch sie verschwendete keine Zeit damit, sich über Razvans schmerzerfülltes Stöhnen zu freuen. Sie wand sich aus seinem Griff und entriss ihm den Dolch. Ohne zu zögern, rammte sie ihn die Klinge in die Kehle. Sein Blut spritzte in einem hohen Bogen heraus. Ein roter Sprühregen traf ihr Gesicht. Ungerührt drehte sie die Waffe, durchschnitt Muskelstränge und Blutgefäße. Ein letztes Gurgeln und der Vampir lag still.

Sina sprang auf und stürmte auf den Kampf zu. Taran hatte wie Romanu bereits einen Gegner niedergestreckt und kämpfte verbissen gegen einen Weiteren, der ihn unerbittlich angriff. Doch drohte für ihn die geringere Gefahr. Romanu musste sich im Gegensatz zu seinem Freund gegen zwei Angreifer zur Wehr setzen. Seine Bewegungen nicht so flüssig wie zu Beginn eines Schwertkampfes bemerkte sie die ersten Zeichen von Ermüdung. Die Fremden schienen versierte Kämpfer zu sein, die obendrein nichts zu verlieren hatten.

Sie warf einen letzten Blick auf den Toten, dann sprang sie auf den Rücken eines der Männer. Wie schon bei dem Überfall im Wald versuchte sie, dem Spitzzahn den Dolch in die Kehle zu rammen, während sie sich an ihn klammerte. Doch dieser erkannte ihren Plan, packte sie am Arm und schleuderte sie von sich. Etwas knackte, als sie auf dem Steinboden landete. Ein stechender Schmerz durchzog ihre Seite. Sterne tanzten vor ihren Augen und sie schnappte stoßweise nach Luft, was neue qualvolle Wellen durch ihren Körper zucken ließ.

„Du kleines Miststück. So viel bist du nicht wert, dass es den Ärger, den du machst, ausgleicht." Er hob sein Schwert, um es auf sie niedersausen zu lassen. Sina schloss die Lider und erwartete den Schlag. Lieber tot als in ewiger Gefangenschaft. Sie hörte ein Ächzen, gefolgt vom Klimpern von Metall, dass auf Stein fiel, und einem dumpfen Aufprall. Sie öffnete die Augen. Ihr Angreifer lag auf dem Rücken, ein Messer steckte in seiner Brust. Romanus Messer. Sie erkannte es an dem verzierten Griff. Ein Schmerzensschrei ließ sie den Kopf herumreißen. Ein neuer, hellerer Schrei hallte im Gang wider. Ihr eigener. Romanu sackte in die Knie. Ein roter Fleck breitete sich auf seiner Brust aus. Er hatte seine Deckung vernachlässigt, um sie zu retten.

Taran kippte ebenfalls um. Eine Wunde sah sie nicht. Die zwei verbliebenen Fremden packten ihn und zerrten seinen leblosen Körper an ihr vorbei in einen Nebengang. Sie würdigte man keines Blickes mehr. Die Spitzzähne waren einzig darauf erpicht, ihren Freund wegzuschleppen.

Mühsam richtete sie sich auf, torkelte zu dem Mann, dem ihr Herz gehörte. Weinend glitt sie neben ihm zu Boden, tastete mit tränenverschleiertem Blick nach seinem Puls. Ein leichtes Flattern unter ihren Fingerspitzen, ein leiser Schluchzer, der ihr entwich.

VedmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt