Kapitel 21

401 42 26
                                    


Missmutig starrte Sina aus dem Fenster. Es schüttete bereits den zweiten Tag in Folge. Bei leichtem Regen wären sie ausgeritten, doch bei diesem Wetter weigerten sich die Vampire, nach draußen zu gehen. Wie immer bei Bewegungsmangel plagte sie eine innere Ruhe, die sie nur schwer unter Kontrolle bekam.

Sie sah sich in der Unterkunft um. Sie war allein. Die Männer gingen ihren anderen Verpflichtungen nach. Sie striegelten die Pferde, reinigten das Zaumzeug oder rieben die Sättel mit Fett ein, damit das Leder geschmeidig blieb. Hermanus wohnte einer Besprechung beim König bei. Fabiu kümmerte sich um einige erkrankte oder verletzte Sklaven und selbst Romanu leistete ihr keine Gesellschaft. Er war vor nicht allzu langer Zeit zusammen mit Taran verschwunden, sodass sie allein zurückgeblieben war.

Sie seufzte und glättete die letzte Bettdecke. Seit dem Frühstück hatte sie aufgeräumt. Erst das Geschirr zurück in die Küche gebracht, dann die Unterkunft gründlich gefegt und zum Schluss die Betten neu bezogen. Nun stapelten sich die Laken bei der Tür. Sie würde mehrmals den Weg zur Waschküche nehmen müssen, raus aus ihrer sicheren Umgebung. Cyrus hatte ihr zwar seit seinem Aufeinandertreffen mit dem Hofmeister nicht mehr aufgelauert und der Prinz wohnte vermutlich ebenfalls der Besprechung seines Vaters bei, dennoch verursachte ihr der Gedanke, schutzlos das Hauptgebäude der Burg zu betreten, eine Gänsehaut. Sehnsüchtig schielte sie zu dem Buch, das auf dem Tisch lag. Lernen durfte sie erst, wenn sie ihre Aufgaben erledigt hatte. Nicht, dass Hermanus es ihr befahl. Sie hatte sich die Arbeit selbst gesucht, um sich von dem tristen Wetter abzulenken.

„Träumst du?" Berok, einer der jungen Auszubildenden, musterte sie schmunzelnd. „Du warst fleißig, wie ich sehe." Er nickte Richtung Wäschestapel, der sich neben dem Ausgang auftürmte. „Was hältst du davon, wenn wir die Wäsche zusammen wegbringen und auf dem Rückweg das Essen bei Garak abholen?"

„Gerne. Dann bin ich mit meinen Aufgaben durch." Wenn sie außer Acht ließ, dass das Geschirr danach zurück in die Küche musste.

„Dann komm." Berok hob einen Großteil des Stapels hoch und wartete, dass sie den Rest packte. Gemeinsam huschten sie dicht an den Gebäuden entlang zum Hauptteil der Burg. Hermanus, der gerade heraustrat, hielt ihnen die Tür auf. Er wirkte zufrieden und lächelte Sina entspannt zu. Sie erwiderte das Lächeln. Sie ahnte, dass der König seinen Entschluss, sie dem Wachtrupp zu überlassen, nicht zurücknahm. Egal, wie sehr sein Sohn darum bettelte. Dankbarkeit erfüllte sie. Sie hatte es Hermanus und Marek zu verdanken, dass der Prinz ihr nicht zu nahe kam.

Mit ihrem Begleiter lieferte sie die Wäsche in der Waschküche ab. Auf halbem Weg zur Küche trat jemand aus einer Nische hervor und sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. „Sina!" Resa stürmte auf sie zu und schloss sie in die Arme. Die Frau drückte sie an ihren bebenden Busen. „Dir geht es gut, Kind. Ich hatte mir solche Sorgen um dich gemacht", brachte sie zwischen einigen Schluchzern hervor. „Bitte verzeih mir, dass ich Fabiu über dein Zusammentreffen mit dem Prinzen informiert habe. Ich wusste doch nicht, dass du ..." Sie brach ab und warf Berok, der sich an eine Wand lehnte und das Gespräch verfolgte, einen angsterfüllten Blick zu.

Dieser winkte ab. „Der Prinz schlägt doch alle mit seiner charmanten Art in die Flucht. Nur die meisten schaffen es nicht aus der Burg heraus. Unsere Kleine ist schon etwas ganz Besonderes." Er zwinkerte Sina verschmitzt zu. „Deswegen gehört sie jetzt ja auch zum Wachtrupp."

„Dass ihr mir ja ordentlich auf das Kind aufpasst!" Resa wedelte dem Vampir mit dem Zeigefinger vor der Nase herum. Dann verabschiedete sie sich, um weiter ihrer Arbeit nachzugehen.

Berok schaute der Frau kopfschüttelnd hinterher. „Sie fürchtet uns Vampire so sehr, dass ihr fast das Herz in der Brust zerspringt. Doch dich verteidigt sie wie eine Bärenmutter ihr Junges. Fast so schlimm wie Romanu."

VedmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt