Kapitel 36

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Die Zeit am Hof zog sich in die Länge. Romanu konnte nicht sagen, ob mittlerweile die Angehörigen aller Königshäuser eingetroffen waren. Meist stahl er sich zusammen mit Taran und Berok nach draußen, um über ihre Beobachtungen zu sprechen. Hermanus schien sich noch nicht zu sorgen oder er trug es nicht nach außen. Der ältere Vampir beteiligte sich nicht an ihren Gesprächen, starrte nur stumm in die Richtung, in die sein Sohn mit der Patrouille verschwunden war.

„Marina tut mir ja fast schon leid", brummte Taran, als die drei Männer sich abermals bei den Stallungen trafen.

„Cyrus ist noch schlimmer als vor zwei Jahren", pflichtete Berok ihm bei. „So wie er seine Schwester feilbietet, könnte man meinen, dass er sie an den Meistbietenden versteigern will."

„Wer bietet mir ein festes Bündnis?" Taran imitierte die Stimme des verhassten Prinzen. „Zum Tausch erhaltet Ihr meine Schwester. Was ihr mit dem unnützen Ding tut, ist Euch überlassen." Er schüttelte den Kopf. „Sie hat sich furchtbar gegenüber Sina benommen, aber jetzt von ihrer eigenen Familie so behandelt zu werden, ist mies."

„Ihr Vater und ihr Bruder sehen sie nicht als vollwertiges Familienmitglied. Als Frau ist sie ihnen nur etwas wert, wenn sie für ein Bündnis mit einem Prinzen verheiratet wird." Berok zuckte mit den Schultern. „So läuft es dort am Hof. Marek hat meinem Vater in den vergangenen Monaten einige Informationen zukommen lassen. Die Familie wird immer größenwahnsinniger."

Romanu horchte auf. Dem Oberhaupt wurden Botschaften überbracht? Darüber, wie einer seiner Fürsten regierte? Das war meist ein schlechtes Zeichen. „Vielleicht sollte jemand sich erbarmen und Marina nach den Feierlichkeiten mitnehmen", schlug er vor. „Zu mir allerdings nicht, denn das will ich Sina nicht antun."

„Sollen wir drei etwa Kuppler spielen? Ohne mich. So sehr tut sie mir dann doch nicht leid." Taran hob abwehrend die Hände. Sein angewiderter Gesichtsausdruck brachte Romanu zum Schmunzeln.

„Bei den meisten Prinzen hätte sie es vermutlich auch nicht viel besser als auf der heimatlichen Burg", gab Berok zu bedenken. „Viele Herrschaftshäuser halten Frauen noch für ersetzlich."

„Möchte mal den sehen, der meint, seine Mutter wäre einfach zu ersetzen", brummte Romanu. So sehr ihn seine eigene Mutter im Moment mit ihren Ansichten irritierte, so wenig wollte er sie missen.

„Cyrus", antworteten seine Freunde im Chor. „Der hätte nicht mal Respekt für die Frau, die ihm das Leben geschenkt hat", fügte Berok dem noch hinzu. „Vorsicht, da kommt jemand."

Umgehend wechselten die drei jungen Vampire auf ein anderes Thema. Die Erwartungen ihrer Eltern, die diese hegten. Oder in Tarans Fall der Onkel, der seit dem Putschversuch durch Razvan und dessen Freunden, gestärkter denn je über sein Reich herrschte.

„Lasst mich bitte in Ruhe." Marinas Stimme drang von hinter dem Gebäude zu ihnen. Zu schrill, zu verstört. Die Männer wechselten einen Blick miteinander und huschten zur Ecke. Romanu schob sich ein wenig vor, betrachtete das Bild, das sich ihm bot. Die junge Vampirin wich vor einem wesentlich älteren Vertreter ihrer Spezies zurück, der sich ihr einem Raubtier gleich näherte.

„Aber warum denn, mein Täubchen?" Er leckte sich über die Lippen. „Dein Bruder meinte, ich könnte dich haben. Du brauchst nur hübsch auszusehen, mir ein paar Kinder zu schenken und mir immer zur Verfügung zu stehen. Zu mehr seid ihr Frauen gar nicht nütze."

Romanu zog die Augenbrauen hoch. Marina war früher zwar ein Biest, aber als Ehefrau solch eines Widerlings zu enden, verdiente sie nun wirklich nicht. Berok schien ähnlich zu denken, denn er schritt an ihm vorbei und gab sich dem älteren Vampir zu erkennen. Taran und Romanu folgten ihm. Marina sah die Freunde mit weit aufgerissenen Augen an, dann nutzte sie den Moment und huschte hinter sie.

VedmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt