Kapitel 34

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Romanu wälzte sich auf seinem Feldbett und stieß ein frustriertes Schnauben aus. Er glaubte, Sinas Anwesenheit zu spüren, seitdem sie das Lager aufgeschlagen hatten. Ein Irrglaube, geboren aus seiner törichten Hoffnung, sie wiederzusehen. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihm. Er drehte sich auf den Rücken. Wie alt war Sina jetzt? Dreizehn, als der Wachtrupp das Mädchen in der Schlucht stellte und Razvan ihre Flucht verhinderte. Somit vierzehn, als er sie zur Grenze ihres Landes brachte. Zu dem Reich, wo sie an diesem Abend ihr Nachtlager errichtet hatten. Zwei Jahre waren vergangen. Zu wenige, um sich dem Wunsch seines Vaters zu beugen und Sina aufzusuchen. Sie war erst sechzehn. Zu jung, um sie als seine Gemahlin heimzuführen. Was sollte er ihr überhaupt sagen, falls er ihr begegnete? Es tut mir leid, aber du musst deine Freiheit für mich aufgeben, weil ich dich zur Frau will? Eine selten dämliche Idee.

Von draußen klang Gemurmel an seine Ohren. Kurz glaubte er, ihren Namen gehört zu haben, doch das war reines Wunschdenken. Wie sollte sie ihn hier finden? Außerdem würde sie niemals freiwillig ein Lager voller fremder Vampire betreten. Sie hatte sich damals an ihn und die anderen Auszubildenden gewöhnt und einige von ihnen selbst ins Herz geschlossen.

Leise Schritte, kaum hörbar auf dem weichen Gras, näherten sich seinem Zelt. Wollte seine Mutter ihn nochmals darauf ansprechen, wie wichtig es war, dass er sich eine Gefährtin suchte? Er hatte diese Gespräche satt. Er drehte sich auf die Seite und stellte sich schlafend. Gerade rechtzeitig, denn gleich darauf schlüpfte jemand ins Zeltinnere. Romanu lauschte dem wild klopfenden Herzen. Ein bekannter Herzschlag, doch nicht von einem seiner Begleiter auf der Reise. Abrupt setzte er sich auf. Verwirrt blinzelte er einige Male, in der festen Überzeugung, dass er sich die junge Frau nur einbildete, doch sie verschwand nicht. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Ein zweites Mal, als sie verschmitzt lächelnd näherkam. Hatte er sie damals während der Ausbildung schon hübsch gefunden, raubte ihm ihr Anblick jetzt den Atem. Schlank, doch gleichzeitig sanfte Rundungen an den richtigen Stellen. Dazu ihr ebenmäßiges Gesicht, vom Leben unter dem freien Himmel gebräunt. Die Blässe von Vampirinnen hatte ihm nie gefallen. Gegen Sina sahen Vertreterinnen seiner Spezies aus wie der leibhaftige Tod.

„Hallo Romanu." Ihre melodiöse Stimme klang wie Musik in seinen Ohren. Wie sehr hatte er sich danach gesehnt, wieder aus ihrem Mund seinen Namen zu hören!

„Du bist hier." Er benetzte nervös seine Lippen und hielt gebannt Blickkontakt. In der Angst, dass sie doch noch vor seinen Augen verschwand, wenn er auch nur für eine winzige Sekunde wegschaute. Er verzehrte sich nach Sina, wie er noch nie zuvor nach etwas oder jemandem verlangt hatte.

„Ich habe auf dich gewartet." Sie blieb direkt vor seinem Nachtlager stehen. „Ich ahnte, dass ihr diesen Weg zum Fest nehmen würdet. Er ist der einzige Pfad, auf dem eine Kutsche mit berittener Garde Platz hat." Ohne den Blick von ihm abzuwenden, zog sie sich die schlichte Tunika aus und ließ sie aus ihrer Hand gleiten.

Romanu atmete scharf ein. Das hatte er nicht von ihr erwartet. Sie brachte ihn mit ihrem freizügigen Verhalten noch in Schwierigkeiten. Schon damals hatte sie sich nicht daran gestört, wenn einer der Auszubildenden sie nackt sah. Zumindest in dem Punkt hatte sie sich in den vergangenen zwei Jahren nicht verändert. Er atmete tief durch. „Sina! Zieh dich wieder an. Das gehört sich nicht", wies er sie an, mit jeglicher Autorität, die er aufbringen konnte.

„Du glaubst noch immer, dass ich zu jung bin, oder?" Sie lachte leise und schüttelte amüsiert den Kopf. „Hermanus hat damals von mir verlangt, ein falsches Alter zu nennen, damit ich in Ruhe gelassen wurde." Sie stieg aus ihren Stiefeln und machte sich an ihrer Hose zu schaffen. „In wenigen Wochen werde ich achtzehn." Sie ließ den Rest Kleidung achtlos auf den Boden fallen und schlüpfte zu Romanu unter die Decke.

VedmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt