Kapitel 50

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„Bin ich froh, dass meine Mutter nicht über die Kleidung für die Krönungszeremonie bestimmen durfte", flüsterte Romanu Sina zu. Sie schmunzelte und warf einen Blick auf den kleinen Bruder ihres Gefährten, der mit vorgeschobener Unterlippe schmollend neben seiner Mutter stand. Obwohl der Junge unheimlich niedlich in seinem Rüschenhemd, der blauen Stoffhose und den schwarzen Lackschuhen aussah, war sie froh, dass weder ihr Gemahl noch ihre Kinder so herumliefen. Andreu, ihr Ältester, war in eine Miniaturausgabe der Gardeuniform gekleidet. Ein schlichtes weißes Hemd, eine schwarze Hose und dazugehörige Stiefel. Dazu trug er eine gewichtige Miene, die auf dem Gesicht eines Fünfjährigen völlig fehl am Platz war. Mit kerzengeradem Rücken stand er neben Hermanus, der den zweijährigen Filipe auf dem Arm hielt. Ihrem zweiten Sohn hatten sie seine übliche einfache Kleidung angezogen, da er später im Palastgarten spielen und aller Wahrscheinlichkeit erst müde werden würde, wenn er von oben bis unten mit Gras und Erde beschmiert war. Mutete der Ältere an manchen Tagen zu ernsthaft an, war der Jüngere ein kleiner Unruhestifter, der zu gern Schabernack trieb. Nur in diesem Moment war er fast schon zu friedlich. Sina runzelte die Stirn. Heckte er wieder etwas aus?

Romanu berührte sie sanft am Arm. „Es geht los." Aus seiner Stimme hörte sie die Nervosität heraus, die auch von ihr immer mehr Besitz ergriff. Fünf Jahre hatte König Veli ihnen Aufschub gewährt. Ein halbes Jahrzehnt, das viel zu schnell vergangen war. Sie schaute zu ihrem Schwiegervater, der auf seinem Thron saß. Eleon stand wie üblich ein wenig versetzt hinter ihm. Der Seher hatte sich daran gewöhnt, am Hof zu leben und den Vampirkönig zu beraten. Selbst wenn es bedeutete, weitere Vedma zu verraten. Zwei Anschläge in der Stadt hatte er schon verhindert. Vedmakrieger, die sich dafür rächen wollten, dass sie seit Ragnars Fall keine Heimat mehr besaßen. Das Dorf war nie wieder betreten worden. Auch andere Vedmadörfer lagen verlassen dar. Die Bewohner hatten sich in unwegsamere Gebiete zurückgezogen, um möglichst weit entfernt von den Vampiren zu leben. Die jungen Mädchen entflohen den neuen Lebensumständen meist und versuchten, in den Orten unter Menschen Fuß zu fassen. Zwei waren am Hof von Berok untergekommen. Drei weitere lebten hier in dieser Stadt. Ungestört, weil König Veli verboten hatte, Vedmamädchen zu behelligen. Eins hatte sich mit einem der ehemaligen Sklaven angefreundet. Den anderen beiden reichte es völlig, einander zu haben. Sie teilten sich ein Haus und ein Bett. Fabiu war der Erste, der ihre Beziehung als selbstverständlich betrachtet hatte, und seitdem immer bei ihnen willkommen war.

Die Musik erklang. Fanfaren und Trommeln, die verkündeten, dass etwas Neues bevorstand. Sina hakte sich bei ihrem Gefährten ein. Sie warteten am Ende des Thronsaals. Die Gäste standen zu beiden Seiten einer schmalen Gasse, die zum Thron, und damit zum Herrscher führte. Romanu gab ihr mit einem sanften Ziehen an ihrem Arm das Zeichen, loszugehen. Zusammen liefen sie vor zum König. Sina machte einen Knicks und ließ sich dann wie ihr Gefährte auf ein Knie sinken. Die wohlwollende Aufmerksamkeit des Königspaars ruhte auf ihnen.

König Veli erhob sich von seinem Platz. Sein Blick schweifte über die Anwesenden. Vampire und Dienerschaft hatten sich gleichermaßen eingefunden, um diesen Augenblick mitzuerleben. Die alte Generation trat ab, die neue übernahm die Regierungsgeschäfte. Sina atmete tief durch. Hoffentlich blamierte sie ihre Familie nicht. Ihre Schwiegermutter hatte ihr in den vergangenen Jahren alles beigebracht, was eine Königin wissen musste. Doch reichte das aus? Angespannt wartete sie, dass der König seine Stimme erhob.

„Ich freue mich, Euch alle hier an diesem Tag begrüßen zu dürfen. Wie Ihr wisst, ist mein Sohn, Prinz Romanu, bereits zweifacher Vater. Ein drittes Kind ist unterwegs." Er warf einen schmunzelnden Blick auf Sina, die leicht errötete. Die Schwangerschaft hatte erst vor wenigen Tagen das Ende des ersten Drittels erreicht. Noch sah man es ihr nicht, dass sie erneut ein Ungeborenes in ihrem Bauch trug. Doch jetzt würde es bald jeder im Reich erfahren. Oder zumindest in der Stadt. Sie unterdrückte ein Seufzen und wartete darauf, dass ihr Schwiegervater fortfuhr. „In den vergangenen Jahren hat er mir unterstützend zur Seite gestanden. Vielen von Euch ist auch sein Rat und sein Einsatz für unser Volk bekannt. Es ist daher für mich an der Zeit, ihm die Regierungsgeschäfte und damit meinen Thron zu überlassen. Entgegen den Gepflogenheiten, werde ich mich allerdings nicht wie mein Vater auf ein Landgut zurückziehen, sondern weiterhin hier im Palast mit meiner Familie wohnen. Schon allein, weil meine Frau nur ungern ihre Enkel aus den Augen lässt", fügte er mit einem seiner Ehefrau gewidmeten frechen Grinsen hinzu.

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