Kapitel 37

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Fabiu knurrte leise. Wie hatten die Männer sie nur mit solcher Leichtigkeit überrumpeln können? Wie Hundewelpen, die von Wölfen überrascht wurden.

Weil sie Vedma waren. Trainiert darauf, sich an Vampire anzuschleichen und diese zu töten. Doch das war nicht der alleinige Grund für ihren schnellen, mühelos erscheinenden Sieg. Zu perfekt der Moment, an dem sie zugeschlagen hatten. Zu praktisch der Ort, an dem sie im Hinterhalt gelegen hatten. Zu koordiniert der Angriff, bei dem die Reiter gleichzeitig von mehreren Bogenschützen mit Pfeilen beschossen wurden. Alles Treffer, die an sich nicht tödlich waren, ihnen dennoch genug Probleme verursachten, sodass sie nicht zum Gegenangriff übergehen konnten.

Er hörte ein leises Stöhnen, von einem der Vampire, die hinter ihm liefen. Langsam drehte er den Kopf, um nicht wieder den Unmut eines Kriegers der Vedma zu wecken. Das Blut von einem Riss, der quer über seinem Wangenknochen verlief, klebte auf seiner Haut. Von einem Schlag, den man ihm mit einem Ast verpasst hatte. Vorsichtig linste er zu dem Wachmann, den die meisten Pfeile getroffen hatten. Jener hatte sich zum Schutz über seinen Bruder geworfen, damit dieser nicht verletzt wurde. Auch der Jüngere hatte einige Treffer einstecken müssen, doch wesentlich weniger als der Ältere.

Der Mann keuchte. Die Kleidung hing zerfetzt an seinem Körper, vom Blut getränkt. Eine Vielzahl von Wunden bedeckte seinen Oberkörper. Einzelne Verletzungen an den Beinen erschwerten ihm jeden Schritt. Zusammen mit dem Blutverlust keine rosige Prognose. Erst recht nicht, weil man sie mit Silber verstärkten Seilen gefesselt hatte. Fabiu spürte, wie sie ihm in die Handgelenke einschnitten, ihn weiter schwächten. Würde sein Vater rechtzeitig Verdacht schöpfen und ihn suchen, wenn die Patrouille nicht zurückkehrte? Würde der König es überhaupt zulassen, dass man ihnen folgte? Der Wachtrupp setzte sich aus Mitgliedern verschiedener Königshäuser zusammen. Für keinen der Herrscher stellte es einen großen Verlust dar, ein oder zwei Männer zu verlieren. Doch selbst wenn jemand nach ihnen suchte, käme die Hilfe für den am schwersten Verletzten zu spät. Ohne Nahrung und die Arbeit eines Heilers lebte er nicht mehr lange.

Fabiu unterdrückte ein Seufzen. Die Krieger würden es ihm wohl kaum erlauben, seinem Begleiter zu helfen. Die Geschichten, die sein Vater ihm über die Vedma erzählt hatte, stimmten möglicherweise doch. Seitdem er Sina kannte, hatte er die Erzählungen für überzogene Märchen gehalten. Wesen, die weder Mensch noch Vampir waren, und die sich vom Vampirblut nährten. Die nichtsahnende Reisende in eine Falle lockten, um ihnen das Fleisch von den Knochen zu schneiden.

Er musterte unauffällig die Krieger. Keiner von ihnen war so wie Sina. Wehmütig dachte er an die Kleine, die vor zwei Jahren ein Teil seines Lebens war. Lebte sie in dem Dorf, zu dem sie verschleppt wurden? Wäre sie bereit, ihnen zu helfen, oder hatte sie sich doch für die Traditionen ihrer Spezies entschieden, obwohl diese gegen ihre Vorstellungen von einem friedlichen Dasein im Einklang mit allen Lebewesen verstießen? Das sanfte Mädchen, das sich weigerte, Fleisch zu essen und nur tötete, damit es überlebte. Oder um die zu beschützen, die ihr wichtig waren. Falls sie im Dorf lebte, würde sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, um ihn zu retten. Er wollte nicht glauben, dass sie sich so sehr verändert hatte. Nicht seine kleine Schwester.

„Stell dich nicht so an. Schneller!", forderte eine harsche Männerstimme hinter ihm. Ein dumpfer Schlag, ein peinvolles Stöhnen.

„Der macht es nicht mehr lange", brummte ein anderer.

„Ich kann ihm helfen, wenn ihr mich losbindet", schlug Fabiu vor. Die Aussicht, tatenlos anzusehen, wie jemand verblutete, gefiel ihm nicht im Geringsten. Selbst wenn er den Verletzten erst seit wenigen Tagen kannte.

„Und uns angreifen, sowie wir deine Fesseln lösen? Hältst du uns für so dumm, Spitzzahn? Das regeln wir anders." Einer der Krieger zog ein Messer, baute sich vor dem schwer atmenden und aus mehreren Wunden blutenden Vampir auf. „Irgendwelche letzten Worte, Blutsauger?"

VedmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt