Kapitel 43

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Ungeduldig wippte Sina auf ihren Füßen. Eine der Dienerinnen, die ihr dabei halfen, das Kleid anzuziehen, zog missbilligend eine Augenbraue hoch. Doch ihr tadelnder Blick wandelte sich sogleich wieder in ein sanftes Lächeln. Die Frauen verstanden, dass für Sina ein ganz besonderer Morgen angebrochen war. Aus fernen Ländern reisten seit einer Woche Adelsfamilien an, um der Eheschließung des Prinzen und seiner Gefährtin beizuwohnen. Es war verständlich, dass die Braut von einer ihr völlig unbekannten Unruhe heimgesucht wurde.

„Ihr solltet endlich mal stillstehen, Prinzessin, damit wir unserer Arbeit nachgehen können", mahnte die Dienerin schließlich. Sina seufzte, gehorchte dennoch. Sie knabberte nervös auf ihrer Unterlippe. Was, wenn sie das Ehegelöbnis, das sie mit der Königin einstudiert hatte, vergaß? Oder wenn ihr jemand auf die Schleppe trat und sie stolperte, Romanu vor allen Anwesenden mit ihrer Tollpatschigkeit blamierte?

„Du siehst wundervoll aus, Sina." Alina, die es sich mit Malia auf dem großen Bett gemütlich gemacht hatte, nickte ihr anerkennend zu. „Aber ich werde bei meiner Eheschließung besser aussehen", schickte sie mit einem schelmischen Grinsen hinterher.

„Wenn Taran dich noch heiraten will, wenn du erst einmal achtzehn wirst. Vielleicht ärgerst du ihn vorher zu sehr." Sina wusste, dass dies niemals eintreten würde. Taran und ihre Freundin waren die ersten Gäste gewesen, die zur Feier anreisten. Der Vampir hatte darauf bestanden, dass Alina und Sina Zeit miteinander verbringen und ihre Erfahrungen austauschen konnten. Es gab ihm selbst die Möglichkeit, den Bräutigam zu beruhigen, denn Romanu wurde mit jedem Tag nervöser.

„Taran meinte, dein Zukünftiger hat Angst, dass du ihm vorm Gelöbnis wegläufst. Ich glaube, er hat daher die Wachen verstärkt." Alina spielte mit einer Strähne ihrer langen Haare.

Sina schmunzelte. Es stimmte, dass die Wachposten für diesen Tag verdoppelt wurden. Doch nicht, weil ihr Gefährte einen Fluchtversuch fürchtete, sondern um die Sicherheit für die drei Vedma zu gewährleisten. Zu viele Fremde würden durch den Palast wandeln. „Du weißt genau, warum er die Wachen verstärkt hat, Alina."

Die Jüngere nickte andächtig. „Für unseren Schutz." Sie ließ ihren Blick zur geöffneten Balkontür wandern, durch die eine leichte Meeresbrise in den Raum drang. „Ich habe niemals erwartet, einem Vampir jemals so wichtig zu sein. Als ich Taran in Ragnars Reich in die Arme fiel, dachte ich erst, er würde mich versklaven. Vor allem, als er seine Gabe nutzte, um mich zu beruhigen. Doch dann bezeichnete er mich als seine Dienerin, als dieser widerwärtige andere Prinz auftauchte und mich für sich beanspruchen wollte. Da wusste ich tief in meinem Innern, dass er mir nie etwas antun würde." Sie seufzte. „Meine Eltern und die Dorfältesten hätten mich dafür gescholten, mich als törichtes Ding bezeichnet. Aber Eleon hatte mich, kurz bevor ich das Dorf verließ, zur Seite genommen und mir prophezeit, dass ich auf der Reise meinem Gefährten begegnen würde. Dadurch verlor ich schnell vor Taran die Angst."

„Weil Eleon von ihm gesprochen hatte." Sina dachte erneut über die Worte des alten Mannes nach. Bisher hatte sie Malia nicht erzählt, dass er ihr Urgroßvater war. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hoffte sie darauf, dass er eines Tages den Weg in die Stadt und zu ihnen zum Palast fand. Damit er persönlich dem Mädchen die Wahrheit erzählen konnte, die sie verdiente.

„Eleon ist lieb." Malia rutschte vom Bett und drehte sich im Kreis, sodass der Rock ihres Kleides aufwirbelte. „Er hat mir oft Leckereien zugesteckt und den Dorfältesten gesagt, dass aus mir mal eine großartige Kriegerin wird." Sie blieb stehen, starrte eine Wand an. „Glaubt ihr, er hat recht? Jetzt, wo Fabiu mein Papa ist, werde ich doch nie Vampire jagen gehen."

„Das bedeutet aber nicht, dass du keine Kriegerin sein kannst", beruhigte Sina sogleich. „Als Romanu, Taran und Fabiu noch auf der fremden Burg in der Ausbildung waren, nahmen sie mich unter der Leitung von Hermanus mit und behandelten mich als eine der ihren. Wenn du später der Wache beitreten möchtest, wird dein Vater es dir sicher erlauben." Ein breites Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. „Er wird allerdings nicht von deiner Seite weichen, weil es ihm schwerfallen wird, wenn sein kleines Mädchen erwachsen wird."

VedmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt