Kapitel 48

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Zurück auf der Burg warfen sie Cyrus' Leichnam in die Mitte des Burgplatzes, ließen ihn dort für alle liegen, die sich von seinem Ableben überzeugen wollten. Berok schritt durch das Tor voran ins Hauptgebäude. Marek führte mit seinen Männern die gefangen genommenen Krieger in den Kerker. Man würde sie später nacheinander verhören, um festzustellen, wo ihre Loyalität lag.

Zwei Wachen stießen die Türen zum Thronsaal auf. Die Blicke der Sklaven, die Garak dort verpflegt hatte, schossen hoch. Panisch suchten sie zwischen den Männern nach Cyrus. Als sie ihn nicht fanden, atmeten sie hörbar erleichtert aus. Dennoch lag der Geruch nach Angst und Unsicherheit schwer in der Luft. Der Tod ihres Königs bedeutete für sie eine ungewisse Zukunft. Romanu knurrte leise. Er hasste den Anblick der ausgemergelten Menschen, deren Körper von Peitschenhieben vernarbt waren. An ihren Kehlen entdeckte er frische Spuren vom Bluttrinken, erst wenige Tage alt. Hatte Cyrus' Vater hauptsächlich das Blut der Gefangenen gereicht, schien der Sohn über seine Untertanen hergefallen zu sein. Romanu ließ seinen Blick weiter wandern. In der Nähe eines der Fenster lag eine junge Frau in einem zerschlissenen, dreckigen Kleid auf dem Boden. Ein Kissen und eine Decke lagen neben ihr. Obwohl sie den Männern den Rücken zudrehte, erkannte er, dass es sich um Marina handelte. Auf ihren blassen Beinen, die unter dem Rocksaum hervorblitzten, erkannte er Striemen von Stockschlägen. Er schluckte schwer. Cyrus hatte wirklich keinen Halt vor seiner Schwester gemacht. Seine Hand fuhr zu dem Lederbeutel mit den zwei Phiolen. Er schalt sich innerlich, dass er der jungen Vampirin das Blut nicht gegeben hatte, nachdem Berok ihm von ihrem Zustand berichtet hatte. Ein Teil von ihm hatte sich geweigert, dem Bericht Glauben zu schenken. Zu sehr verachtete er die junge Frau dafür, was sie seiner Gefährtin angetan hatte.

„Darf ich um die Aufmerksamkeit aller bitten." Berok lief Richtung Thron, stieg die Stufen allerdings nicht hinauf, sondern drehte sich vor dem geschmacklosen Prunkstück um und ließ seinen Blick durch den Saal schweifen, bis die Augen aller auf ihn gerichtet waren. „Der König wurde in einem Zweikampf besiegt. Romanu hier," der Freund wies auf ihn, „hat ihn getötet und ist damit der rechtmäßige Herrscher eures Landes geworden. Er wird darüber entscheiden, was mit euch geschieht, wenn mein Vater, das Oberhaupt aller Vampire, über die restlichen Verräter gerichtet hat."

Ein Raunen ging durch den Raum. Doch so schnell, wie es aufgekommen war, verstummte es wieder. Ehrfürchtig hielten die Sklaven die Köpfe gesenkt, um nicht den Zorn ihres neuen Herrn auf sich zu ziehen. Romanu seufzte. Er hatte keine Verwendung für Unfreie. Diese Menschen würden niemals über das Trauma, das Cyrus und sein Vater verursacht hatte, hinwegkommen. Außer, er schaffte es, ihnen einen anderen Weg aufzuzeigen. Er suchte die Menge nach Resa ab, doch fand die Frau nicht. Er runzelte die Stirn. Sina würde es nicht gefallen, wenn die Menschenfrau von dem Tyrannen oder einer seiner Schergen getötet worden war. Er hielt nach anderen bekannten Gesichtern Ausschau, als sich die Türen abermals öffneten, und einige Sklaven in den Raum huschten, die beim Kampf dabei gewesen waren. Unter ihnen eine Frau, die nun hervortrat. „Wenn Ihr mir erlaubt, zu den anderen zu sprechen, würde ich ihnen gern berichten, was ich gesehen habe", erhob sie die Stimme.

Romanu atmete erleichtert aus. Wie früher wagte sie es, vor einem Vampir das Wort zu ergreifen. „Komm zu mir, Resa." Er winkte sie heran. Mit respektvoll geneigtem Kopf, doch ohne Scheu, trat sie zu ihm. „Du hast doch früher nie vor mir gekniet, Resa, da brauchst du jetzt nicht damit anfangen", hielt er sie auf, als sie auf ihre Knie sinken wollte. „Ich kann mich daran erinnern, wie Fabiu mir erzählte, dass du ihn beschimpft hast, als er sich um Sina kümmern wollte."

Die Frau errötete, senkte einen Moment beschämt den Kopf. „Ich wollte das Kind doch nur beschützen", wisperte sie.

„Das weiß ich doch. Nun, du wolltest ihnen etwas mitteilen." Er wies mit einer weiträumigen Armbewegung auf die Versammelten.

VedmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt