Kapitel 41

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Erleichtert schaute Sina zu den Pferden, die vor die Kutsche gespannt wurden. Endlich war der Tag des Aufbruchs angebrochen und würden sie diesen schrecklichen Ort hinter sich lassen.

Ragnar hatte alles gestanden. Die Androhung von Folter reichte aus, um alles über die Verbindungen des Königshauses zu den Vedma zu erfahren. Unzählige Vampire hatte er ins Verderben geschickt. Weitaus mehr als sie anfangs angenommen hatten. Das auf sein Geständnis folgende Urteil war schnell gesprochen. Sein öffentlich zur Schau gestellter Tod lag einige Tage zurück. Sina schauderte beim Gedanken an seinen leblosen Körper, der im Wind baumelte. Kein Vampir hatte sich an seinem Blut bedienen wollen. Alle angeekelt von seinen Taten, entsetzt von dem Verrat. Selbst Cyrus hatte kein Interesse gezeigt.

Sie rollte mit den Schultern. Nicht mehr lange und sie würde dem Prinzen mit ein wenig Glück nie wieder gegenüberstehen. Romanu hatte nicht vor, ihn an seinen Hof einzuladen. Da ein Ehebündnis vom Tisch war – das ihr zukünftiger Gemahl nie gewünscht hatte – gab es keinen Grund, Beziehungen zu dem Königshaus anzustreben und zu unterhalten, das seine Untergebenen miserabel behandelte. König Veli hatte sich entsetzt gezeigt, wie Cyrus und sein Vater mit Marina umgingen. Wer die eigene Schwester oder Tochter vor versammeltem Vampiradel bloßstellte und wie ein Stück Vieh zu verschachern trachtete, verdiente nicht einen Funken Respekt.

Jemand schlang seine Arme um sie, kuschelte sich an ihren Rücken. „Ich werde dich und Malia vermissen", murmelte Alina in ihre Haare. Sina schluckte. Die Jüngere war ihr in den vergangenen Tagen immer mehr wie eine Schwester ans Herz gewachsen. Jetzt voneinander Abschied zu nehmen, fiel ihr schwer. Obwohl ihr bewusst war, dass es sich nicht um ein Lebewohl für immer handelte.

„Ich werde dich auch vermissen." Sie löste sich aus der Umarmung und drehte sich um. „Pass mir gut auf Taran auf. Er hat ein Händchen dafür, sich in Gefahr zu begeben."

Alina lachte verschmitzt. „Lass das nur meine Sorge sein." Sie tätschelte ihre Hüfte, an der ein Vampirdolch ruhte. Tarans Dolch, den er nach der Ausbildung erhalten hatte.

Sina schmunzelte. Bei dem Vampir würde es dem Mädchen an nichts fehlen. Er würde notfalls sein Leben dafür geben, um ihres zu retten. Das Band zwischen den beiden war stark, wuchs mit jedem Tag mehr. Wie bei ihr und Romanu. Etwas, das sie früher nie für möglich gehalten hatte. Und doch war es eingetroffen. Vedma und Vampir in Liebe miteinander vereint. Sie lächelte sanft.

„Alina", klang eine Stimme zu ihnen herüber. Taran lief auf sie zu, den Blick unentwegt auf das Mädchen gerichtet, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. „Es ist Zeit. Kommst du?" Er nickte Sina freundlich zu. „Ich könnte dich zum Abschied umarmen, doch dann reißt Romanu mir den Kopf ab."

„Das wird er nicht tun." Sina trat auf den Vampir zu, zog ihn in eine Umarmung. „Pass mir auf Alina auf. Sonst komme ich zu Besuch, um dich zu verprügeln."

Er lachte leise. „Keine Sorge. Alina ist bei mir sicher. Niemand wird sich ihr nähern. Notfalls knurre ich so erbost wie dein Gefährte", fügte er schelmisch grinsend hinzu.

„Du wirst ganz sicher so knurren." Romanu tauchte wie aus dem Nichts bei ihnen auf und umarmte Alina. „Wenn er frech wird, schickst du einen Boten zu uns. Dann werde ich ihm Manieren beibringen." Sina hatte keinen Grund, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Zu ernst trug er die Worte vor.

„Ich sollte wohl besser meine zukünftige Gefährtin vor dir in Sicherheit bringen. Nicht, dass du dich mit einer Vedma nicht zufrieden gibst." Taran ließ Sina los und zog blitzschnell Alina an seine Seite. Das Mädchen errötete und kuschelte sich vertrauensvoll an seine Brust.

Wenig später fuhren die Kutschen gleichzeitig vom Hof. Die jungen Vedma winkten einander zu, bis ihre Kutschpferde in unterschiedliche Richtungen getrieben wurden. Seufzend richtete Sina ihren Blick auf Malia, die vor Fabiu im Sattel saß. Der Vampir ließ es sich nicht nehmen, seine Ziehtochter mitreiten zu lassen. Einen Arm um das Kind geschlungen, wies er mit dem anderen regelmäßig auf etwas. Seine Lippen bewegten sich dabei und es ließ sich annehmen, dass er der Kleinen etwas erklärte. Schon jetzt bewies er, dass er dem Mädchen ein liebevoller Vater war. Ein wenig wehmütig war es Sina schon ums Herz, dass Malia sich für ihn entschieden hatte, doch sie grollte ihr nicht. Als Kriegerin passte die Kleine besser zu ihm und Hermanus als zu ihr, einer Empathin.

VedmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt