Nine

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Als ich das Haus betrete, herrscht Stille. Da ich Mums Auto nicht in der Auffahrt gesehen habe, denke ich, dass sie schon auf der Arbeit ist. Manchmal wünsche ich mir nichts sehnlicher, als eine Mum, die mich in den Arm nimmt, wenn ich traurig bin oder eine, mit der ich darüber reden kann, was ich gestern durchmachen musste wegen Mr. Tomlinson. Aber Mum hatte nichts Besseres zu tun, als nur auf der Arbeit zu hängen. Ich frage mich, warum wir dann in so einem großen, teuren Haus wohnen müssen, wenn sie nie da war, weil dieses Haus für mich viel zu groß ist. Ein leichtes Ziehen am Hals holt mich in die Realität zurück. Als ich meine Finger an die gereizte Stelle lege, zucke ich zusammen. Dieser Typ von gestern flackert vor meinem inneren Auge auf, wie er mich gegen die Wand gedrückt und sich an meinem Hals vergriffen hat. Ein Schauer durchfährt mich und ich schüttle mich, um den Gedanken loszuwerden. Schnell laufe ich in Bad und suche Make-Up. Dumm ist nur, dass ich sowas nie benutze, also nehme ich das von Mum. Sie wird sicherlich nichts dagegen haben. Ich mache mir etwas von der Flüssigkeit auf den Finger, verreibe es ein wenig und tupfe es anschließend auf die lila angelaufene Stelle an meinem Hals. Jede Berührung lässt mich scharf Luft einziehen.

Nachdem ich die dritte Ladung aufgetupft habe, sieht man den Fleck noch immer. Deshalb beschließe ich, meine Haare offen zu tragen und über meine Schulter zu legen, damit diese den großen Fleck überdecken. Mit einem mehr oder weniger zufriedenen Lächeln gehe ich in die Küche und mache mir ein Müsli mit Joghurt, in das ich noch kleine Früchte hineinschneide. Nach einem Blick auf die Uhr, esse ich schnell mein Frühstück und packe dann meine Tasche. Handy und Schlüssel packe ich in meine Jacke und nach einem letzten prüfenden Blick, gehe ich auf die Straße.

Nach guten fünfzehn Minuten kommt der Bus vor der Schule zum stehen. Alle anderen steigen wie vom Blitz getroffen aus, aber ich lasse mir Zeit. Beim Gehen bin ich stets bemüht, meine Haare nach vorne zu ziehen und hoffe, dass niemand den Fleck zu Gesicht bekommt. Mein Weg führt mich durch die vollen Gänge zu meinem Schließfach. Nachdem ich die Zahlenkombi eingegeben habe, klickt das Schloss und ich öffne es. Ich krame ein paar Bücher hervor, die ich gestern darin verstaut hatte und überlege, wie ich es ein bisschen aufpimpen könnte. Der Gong holt mich aus meinen Gedanken und ich schließe die Metalltür schwungvoll. Bevor ich gehe, drehe ich am Zahlenschloss, damit der Spind verschlossen ist. Mathe bei Mr. Tomlinson konnte ich jetzt echt nicht gebrauchen.

In der Klasse reden alle wild durcheinander. Ich habe das Gefühl, als würde mein Trommelfell platzen. Erst als Mr. Tomlinson den Raum betritt, ebbt augenblickliche Ruhe an und alle hechten auf ihre Plätze.

„Guten Morgen, sagt er, während er seine Tasche auf den Tisch stellt und die Unterlagen hervorholt. „Wir beginnen mit einer Wiederholungsaufgabe." Er nimmt sich ein Stück Kreide und schreibt eine Aufgabe an. Fin neben mir hatte mich freundlich begrüßt, als ich mich hingesetzt hatte, hatte aber eine weniger freundliche Begrüßung zurückbekommen. Er scheint meine Nervosität zu spüren, hatte aber nicht weiter nachgefragt. Jetzt schreibt er die Aufgabe ab, die Mr. Tomlinson mit unsauberer Handschrift an die Tafel kritzelt.

„Freiwillige?" Stille. „Nur nicht zu viele..." Er lacht. Ich wende meinen Blick auf das leere Blatt vor mir und versuche, die Bilder vom gestrigen Tag zu verdrängen.

„Mary. Du siehst so aus, als wärst du scharf darauf, an die Tafel zu kommen." Ich spüre seinen Blick auf mir. Langsam hebe ich meinen Kopf und sehe ihn an.

„Du musst ja nicht nach vorne kommen, aber eine Lösung wäre schon nett", sein feixender Unterton bringt einige Mädchen zum kichern. Ich hingegen schüttle nur den Kopf.

„Du musst doch wissen, was da raus kommt, Mary. Das ist eine Wiederholungsaufgabe."

„Keine Ahnung", sage ich leise und ziehe meine Haare mehr über meine Schulter.

„Mir geht es nicht so gut", fange ich an und wende den Blick von ihm, zurück auf das leere Blatt vor mir.

„Ausreden ziehen bei mir nicht", sagt er mit strengem Ton und kommt ein paar Schritte auf mich zu.

„Sie wissen genau, warum", sage ich so leise, dass es kaum mehr als ein Flüstern ist, aber natürlich muss er mich wieder vor allen anderen lächerlich machen.

„Nein, eigentlich weiß ich nicht, warum es dir schlecht geht. Hör mal, Mary, wenn es dir wirklich so schlecht geht, würdest du nicht hier sitzen, sondern zu Hause. Und jetzt sag mir bitte die Lösung dieser Aufgabe." Bei seiner kurzen Rede, sieht er mich die ganze Zeit an und zeigt letztlich auf die Tafel. Einen Moment herrscht Stille, alle warten auf meine Antwort.

„Keine Ahnung." Er seufzt und nimmt ein Mädchen aus der dritten Reihe dran, die ihm das richtige Ergebnis sagt.

„Mary, an deiner Stelle würde ich jetzt mitschreiben, wenn du keine Ahnung hast", sagt er, mit dem Rücken zur Klasse, während er anschreibt. Kichern ist aus allen Ecken zu hören.

Boden, tu dich auf und lass mich versinken.

Das Klingeln erlöst mich endlich von Mathe und ich packe zusammen. Fin wartet auf mich, aber ich versichere ihm, dass er ruhig gehen kann. Schneller, als ich gucken kann, bin ich mit Mr. Tomlinson alleine. Ich versuche, seinen Blick zu ignorieren und aus der Klasse zu gehen, doch er hält mich auf. Dabei fasst er mein Handgelenk und ich muss scharf Luft einziehen. Als er das merkt, lässt er sofort locker. Mr. Tomlinson tritt nah an mich heran, bis er genau vor mir steht. Sofort gefriert mir das Blut in den Adern und ich halte die Luft an, als er mir die Haare zur Seite streicht.

„Sieht ja gar nicht gut aus", flüstert er und betrachtet meine Handgelenke.

„D-Darf ich je-jetzt bitte g-gehen?"

„Nein." Er fixiert meine Augen, aber ich kann ihm nicht standhalten. Seine grau durchfressenen Augen breiten Kälte aus, lassen mich erschaudern. Er seufzt leise, bevor er weiter spricht. „So kann das doch nicht weiter gehen. Geht's dir wirklich schlecht?" Ich kann kaum glauben, dass ich Besorgnis in seiner Stimme ausmache.

„Es tut nur ein bisschen weh", antworte ich leise und versuche irgendwo hinzuschauen, doch meine Augen schaffen es nicht, einen Punkt zu fixieren.

„Aber sonst geht's dir gut?", fragt er sanft und legt eine Hand auf meine Schulter. Als ich nicke, lässt er mich los, schaut mich jedoch weiterhin besorgt an.

„Beantwortest du mir eine letzte Frage?" Sein Blick ruht auf mir, bemüht meinen Blick zu finden. Als ich aufschaue, trifft blau auf grau und mein Atem beginnt zu stocken.

„W-Welche Frage?" Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.

„Was sollte das gestern Abend?"


***


UNFASSBARE 1K MENSCHEN?! *-* krass :o DANKE DANKE DANKE ♥ ♥ ♥ ihr seid echt die tollste Community. so langsam braucht ihr wundervollen Menschen einen Spitznamen.. also falls ihr Ideen habt.. sagt sie mir :D

Ja. ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen ♥ und freue mich auf Feedback

Bis dahin


Neverland3r xoxo

Toy [*Pausiert*]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt