Thirty

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Der Himmel ist wolkenbehangen und lässt keinerlei Sonnenstrahlen hindurch. Gedankenverloren starre ich aus dem leicht verdreckten Busfenster hinauf in die dunklen Wolken und frage mich, wann sie zu weinen beginnen. Als der Bus an einer Ampel hält, springt meine Musik einen Track weiter, sodass ich statt einem Cover von Somebody that I used to know jetzt der Stimme von Bon Jovi lausche, wie er seine Energie in It's my life steckt. Im Kopf singe ich die Zeilen mit. Der Bus setzt sich wieder in Bewegung, als hinter ihm ein Wagen hupt und biegt um die letzte Kurve, die uns von der Schule trennt. Bevor der Bus an der Haltestelle ankommt, stecke ich meinen iPod samt Kopfhörer in meine Tasche und stehe dann auf, um mit dem Strom hinauszugehen. Mitten auf dem Weg ins Innere bewahrheitet sich meine Vermutung; die ersten Tropfen fallen schwer auf die Erde. Ich richte meinen Blick kurz gen Himmel und ein Tropfen verirrt sich auf meiner Wange.

Beim Erreichen der Tür bin ich halb durchnässt durch das stetige Ansteigen des Regens. Mein Vordermann hält mir die Tür auf, sodass ich schnell ins warme Trocken schlüpfen kann. Der Junge erschrecke sich, vermutlich hat er nicht damit gerechnet, dass ich hinter ihm bin.

„Morgen", brummt er monoton. Jetzt erkenne ich die Person, die vor mir steht.

„M-Morgen", nuschle ich Mr. Tomlinson schnell meine Antwort und blicke zu ihm hoch. Warum trägt er bei so einem Sauwetter eine Sonnenbrille? Vielleicht kommen sie alle morgen so... Zügig husche ich an ihm vorbei.

„Schönes Wetter, was?", hält er mich zurück, woraufhin ich nur meinen Kopf zu ihm drehe und leicht lachend nicke. „Bezweifelst du das etwa?" Kann er mich denn nicht in Ruhe lassen?

„Vielleicht ein bisschen?", antworte ich, als ich stehen bleibe.

„Ich bin der Lehrer. Was ich sage, ist so. Punkt."

„Wenn Sie Regen als schönes Wetter bezeichnen wollen, dann haben Sie recht." Als er heiser lacht, kribbelt eine Gänsehaut auf meiner Haut. Ich erhoffe mir, dass er mich in Ruhe lässt, wenn ich weiter gehe, doch seine Stimme hält mich schon wieder an. Hat er mir gestern nicht gut genug zugehört? Ich will nicht weiter von ihm Nachhilfe bekommen!

„Ich habe Ihnen gestern gesagt, dass Sie sich von mir fernhalten sollen", erinnere ich ihn und gehe durch eine Tür, Mr. Tomlinson bleibt mir auf den Versen.

„Was ist dein fucking Problem?"

„Bei Ihnen." Ich gelange zu meinem Spind und drehe an der Zahlenkombination, bis das Schloss mit einem leisen Klicken aufspringt. Mr. Tomlinson lehnt sich an meinen Nachbarspind. Verschwinde!

„Wegen dem einen Mal? Das war Zufall", beschwichtigt er wie ein Unschuldslamm.

„Sie haben mich geküsst. Zwei Mal." Ich versuche, so leise wie möglich zu reden, damit keiner meiner Mitschüler etwas davon mitbekommt.

„Und du hast erwidert. Zwei Mal." Ich kann sein Siegessicheres Grinsen an seiner Stimme hören, während ich versucht konzentriert in meinem Spind versinke.

„Warum?", hinterfragt er von Neugierde gepackt.

„Warum küssen Sie mich?", stelle ich ihm die Gegenfrage.

„Warum erwiderst du?" Seine Stimme wird scharf und bringt mich in Unsicherheit.

„I-Ich weiß nicht...", gestehe ich seufzend.

„Sowas tut man nicht einfach so." Ich knalle meinen Spind zu, nachdem ich die passenden Bücher gefunden habe und versuche ihn anzufunkeln.

„Das, was Sie getan haben, auch nicht." Er denkt, das Ganze hier ist nur ein Spiel und versucht es tatsächlich damit zu begründen, dass er ein Mann ist. Gott sei Dank klingelt es zum richtigen Zeitpunkt, sodass ich endlich von ihm wegkomme. Ohne ein weiteres Wort drehe ich mich um und gehe in Richtung Klassenzimmer.

Toy [*Pausiert*]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt