Twenty-four

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Als ich meine Augen öffne, begegne ich seinem Blick. Wir sind uns so nah, dass ich endlich die Farbe deutlich erkennen kann. Sie ist anders, als sie von weiter weg zu sein scheint. Ein strahlendes Blau ist leicht von grau umnebelt. Es scheint, als würden die Farben um die Dominanz kämpfen. Das stürmische Grau wirbelt über das Blau, obwohl dieses versucht, an der Oberhand zu bleiben; es verliert.

„Holst du mir einen Kaffee?" Zunächst scheint seine Stimme von weit weg zu kommen, langsam und deutlich, als ob ich es anders nicht verstehen würde. Langsam kehre ich in die Realität zurück und begreife, was Mr. Tomlinson da gesagt hat. Noch bevor ich den Kopf schütteln kann, drückt er mir einen fünf Pfund Schein in die Hand. Dann entfernt er sich von mir und geht zum Pult.

„Schwarz. Ich schau solange hier rein", sagt er mit dem Rücken zu mir und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie er das Mathebuch über seine Schulter hebt. Noch immer in eine Trance versetzt, stehe ich an der Wand. Mein Kopf überschlägt sich mit Ausrufen und Fragen und nach einer gefühlten Ewigkeit, die nicht länger als ein paar Sekunden angedauert hatte, wird mir bewusst, was ich eigentlich getan habe. Meine Augen sind starr auf einen Punkt gerichtete, während ich Mr. Tomlinsons seufzen höre.

„Ich. Kaffee. Jetzt. Du verstehen?"

„Nein.", antworte ich, weiterhin auf den Punkt starrend.

„Das ist so n heißes Getränk mit-"

„Ich möchte, dass Sie sich von mir fern halten", unterbreche ich ihn und kann endlich den Blick abwenden und in seine Richtung heften. Ich gehe ein paar kleine Schritte auf ihn zu und lege das Geld neben ihn aufs Pult.

„Und ich möchte, dass du mir gefälligst einen Kaffee holst! Jetzt!" Sein laut gewordener Ton lässt mich zusammenzucken. Verängstigt schüttle ich den Kopf. Mein Blick sucht den schnellsten Weg zu meiner Tasche, den ich schnellstmöglich einschlage, sie schnappe und zur Tür hechte, doch Mr. Tomlinson ist schneller und versperrt mir, sich vor mir aufbauend, den Weg. Ich knalle beinahe gegen ihn und schaue zu ihm empor. Er wirkt viel größer, als vor einigen Sekunden. Während er mir den Geldschein förmlich in die Hand rammt, fordert er mich zischend dazu auf, meine Tasche abzustellen und den Kaffee zu holen. Als ich jedoch den Kopf schüttle, fragt er mich barsch, weshalb ich es nicht tue.

„Ich bin nicht Ihre Puppe." Er scheint kurz zu überlegen, bevor er antwortet.

„Sieh's als Wiedergutmachung fürs ankotzen." Er fixiert mich mit seinen mittlerweile komplett ergrauten Augen, woraufhin ich einen Schritt vor ihm zurückweiche.

„Lassen Sie mich gehen." Ich versuche selbstsicher zu klingen, doch als ich meine Stimme höre, klingt sie ganz anders als selbstsicher.

„Wenn du jetzt gehst, war das das letzte Mal Nachhilfe", sagt er monoton, beinahe gleichgültig. Ich zerknülle förmlich den fünf Pfund Schein in meiner Hand, bevor ich an ihm vorbei gehen will. Mr. Tomlinson lacht, als er sagt: „Dann viel Spaß beim durchfallen." Er gibt mir mein Mathebuch und macht sich dann dran, seine Sachen zusammenzupacken. Ich hingegen gehe schnellen Schrittes durch die Flure. Warum lasse ich mich bloß dazu überreden? Seufzend komme ich am fast leeren Kiosk an und bestelle, als ich an der Reihe bin, einen schwarzen Kaffee. Mit dem dampfenden Becher ohne Deckel gehe ich zurück zur Klasse, bemüht, nichts überschwappen zu lassen. Als ich den Raum grade betreten will, kommt Mr. Tomlinson mir entgegen und läuft mich fast um. Bevor er jedoch etwas sagen kann, drücke ich ihm Restgeld und Kaffee in die Hand und gehe wieder. Leider sind seine Reflexe schneller und so packt er überraschend sanft mein Handgelenk und hält mich somit auf.

„Lassen Sie mich los."

„Wie kam's dazu?", will er wissen, lässt mich aber nicht los.

„Nehmen Sie es hin und lassen Sie mich gehen", antworte ich und beginne, mich aus seinem lockeren Griff zu befreien. Zu meiner Überraschung lässt er mich los. Erleichterung breitet sich in mir aus, je weiter ich ihn hinter mir lasse. Mir kommen einzelne Schüler entgegen, bis ich an meinem Spind ankomme, ihn öffne und nach meinem Englischheft suche. Plötzlich streift mich jemand, was mich zusammenzucken lässt.

Toy [*Pausiert*]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt