Six

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Fin legt einen Arm um mich, was ich auf der einen Seite unangenehm empfinde, andererseits gibt es mir ein Gefühl von Sicherheit. Während wir durch die Gänge in Richtung Klasse gehen, grüßt Fin einige und diese grüßen zurück. Er scheint etwas beliebter zu sein.

Wir erreichen den Raum kurz bevor es klingelt. Ich hatte grade angefangen, meine Sachen rauszukramen, als unser Lehrer, Mr. Samuels, die Klasse betritt. Mit langen, schweren Schritten eilt er zum Pult und holt seine Unterlagen hervor. Danach lässt er seinen Blick durch die Schüler wandern, bis er schließlich bei mir hängen bleibt. Automatisch verschnellert sich mein Puls und ich bekomme das Gefühl, angestarrt zu werden.

„Miss Johnson. Unser Direktor bat mich, Sie davon zu unterrichten, dass Sie augenblicklich in sein Büro sollen." Jetzt starren mich wirklich alle an. Ich schlucke den Klos in meinem Hals so gut ich kann runter.

„Hast du was angestellt?", flüstert Fin in meine Richtung, doch ich kann es nicht wirklich wahrnehmen. Ich stehe etwas ungeschickt auf, stolpere beinahe, und verlasse mit einem mulmigen Gefühl im Magen das Klassenzimmer. Der Flur scheint sich in die Ewigkeit zu strecken, aber ich bin zu schnell. Nach wenigen Minuten stehe ich vor der Tür des Rektors, traue mich nicht anzuklopfen. In meinem Kopf herrscht Chaos. Fragen, warum ich hermuss, schreien sich gegenseitig an und kämpfen sich in den Vordergrund. Ehe ich darüber nachdenken kann, hat meine Faust gegen die Tür geklopft und ich vernehme ein gedämpftes „Herein". Langsam lege ich meine Hand auf die Klinke, drücke sie runter. Dann drücke ich leicht gegen die Tür, die sich einen Spalt auftut und mir einen kleinen Ausschnitt des Rektorats preisgibt. Der Rektor sitzt an seinem Pult und füllt Formulare aus. Mit Anzug und Krawatte sieht er ein wenig angsteinflößend aus. Ein leises Knarren der Tür lässt ihn aufblicken. Als er mich erblickt, lächelt er leicht und bittet mich hinein. Noch bevor ich richtig auf dem gepolsterten Sitz ihm gegenüber platznehme, beginnt er zu reden: „Ich hoffe, Ihnen gefällt meine Schule". Nachdem ich nicke, fährt er fort. „Sehr schön. Sie haben eine gute Kurswahl getroffen. Aber genug davon. Der Grund, weshalb ich Sie habe herkommen lassen, ist der, dass Sie noch keinen Spind haben, richtig?"

„Richtig, Sir." Er nickt und beginnt in seinen Unterlagen zu kramen, bis er schließlich einen Zettel hervorzieht und ihn mir überreicht. Ich werfe einen Blick drauf und lese 4 Zahlen. 7 28 15 2.

„Wenden Sie sich bitte an unseren Hausmeister. Er wird Ihnen ihren Spind zeigen." Ein warmes Lächeln umspielt seine bartgesäumten Lippen. Ich nicke, bedanke mich und verlasse sein Büro, nachdem ich mich freundlich bei ihm verabschiedet habe und um Hilfe gebeten hatte, wo ich den Hausmeister finden würde.

Der Wegbeschreibung nachgehend durchsuche ich jegliche Gänge nach dem Büro des Hausmeisters. Als ich es endlich gefunden habe, klopfe ich, doch bevor meine Haut die Tür berührt, springt diese auf und ein älterer Mann rennt beinahe in mich hinein. Abrupt bleibt er stehen und blickt mich verwundert an.

„Wohin des Weges, junges Fräulein?" Sein Akzent macht es mir schwer, ihn zu verstehen. Freundlich nickend zeigt er mir meinen Spind, nachdem ich ihn danach gefragt hatte. Mit dem Zettel in der Hand, gebe ich die Zahlenkombi ein. Mit einem leisen Klicken springt das Schloss auf. Ich öffnet die Tür und mustere den Spind. Er ist groß. Im oberen Drittel befinden sich Regale. Am untersten Regal ist ein Haken angebracht. Der Rest ist frei. Sofort packe ich ein paar meiner Bücher in den Spind. Kurz nachdem ich den Spind geschlossen habe, ertönt die Klingel. Ich seufze und versuche so schnell wie möglich in meine letzte Stunde zu kommen. Grade rechtzeitig finde ich den Raum, in dem ich Geschichte habe. Ich finde einen Platz in der Mitte der Reihen und packe meine Sachen aus. Den Zettel mit der Kombination stecke ich in meine Jackentasche.

Mitten im Satz entlässt uns die Klingel in die Freiheit. An Mr. Tomlinsons Worte denkend, lasse ich mir Zeit mit zusammenpacken. Bevor ich das Gebäude verlasse, gehe ich an meinem neuen Spind vorbei, um einige Bücher loszuwerden. Dabei denke ich an die Schließfächer in den Filmen. Dort haben sie immer irgendwelche Bilder von Stars an die Innenseite geklebt. Ich spiele mit dem Gedanken, dies auch zu tun. Ein Blick auf meine Handyuhr verrät mir, dass es langsam Zeit ist, zum Parkplatz zu gehen. Also schließe ich meinen Spind und schlendere durch die Gänge zum Hautausgang. Mein Weg führt mich an der Haltestelle vorbei, wo noch vereinzelt Schüler stehen, die mir jedoch keinerlei Beachtung schenken. Am Parkplatz suchen meine Augen nach dem schwarzen Range Rover. Meine Augen bleiben schließlich bei einem jungen Mann hängen, der rauchend an einem schwarzen Wagen steht. Bei genauerem hinsehen, erkenne ich, dass es sich bei der rauchenden Person um Mr. Tomlinson handelt. Mit unsicheren Schritten und mulmigem Gefühl im Magen gehe ich auf ihn zu. Er drückt seine Zigarette mit seiner Schuhspitze aus, als ich bei ihm ankomme. Ich hebe meinen Blick etwas, um in seine Augen zu sehen, dabei sehe ich, dass er einen Mundwinkel zu einem versuchten Lächeln hochgezogen hat. Kalte, grauzerfressene Augen blicken herablassend auf mich.

Toy [*Pausiert*]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt