K A P I T E L 34

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„Sing für mich." mein Vater klatscht voller Freude in seine Hände und will mich ermutigen etwas zu singen. Ich habe oft vor ihm gesungen und es war mir nie wirklich unangenehm aber jetzt sind wir erstens mit der ganzen Familie im Wohnzimmer und ich habe jetzt wahrscheinlich schon ein paar Wochen nicht mehr gesungen, was heißt, dass ich mich wahrscheinlich mehr als schief anhören werde.
Mein Vater spielt sofort mir bekannte Töne auf dem Saz und sofort ist mein Inneres gefüllt mit Nostalgie. Mein Vater spielt die Melodie von ‚Cesaretin  var mir Aşka" weil das eines der Lieder ist die ich immer wieder hören könnte. Es hat so viel Gefühl und Leben in sich, dass ich sofort einsteige, als mein Bruder und meine Schwester auch anfangen zu singen „Cesaretin var mi Aşka? Çarpiyor kalbim bir başka. Sen de böyle sevsen keşke, desen bana yâr..." verschwunden ist die Scheu und ich genieße den schönen Familienmoment und schwelge in Erinnerungen. Faszinierend was ein einfaches Lied anstellen kann. Niemals wird dieses Lied langweilig oder gar unbedeutend für mich werden.
Mein Bruder filmt alles mit, und obwohl ich mich schäme bin ich doch froh, denn so haben wir immer von allem eine Erinnerung.
Ich weiß jede einzige Minute zu schätzen und auch wenn wir alle mal unsere Meinungsverschiedenheiten haben, habe ich wirklich verdammtes Glück. Meine Familie ist liebevoll und immer für einen da, es gibt Leute die haben es schlimm mit ihren Eltern. Sollten Familienmitglieder denn nicht der Fels sein, der einen vorm Untergang bewahrt anstatt der Sturm der einen runterzieht?
Automatisch wandern meine Gedanken zu Ateş und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Wer weiß, was er schon alles durchmachen musste? Denn seine Mutter schien alles andere als liebevoll. Ob ihm solche Momente gefehlt haben?

Jetzt will ich die Neuigkeit von uns, sofort meiner Familie beichten. Wenn wir alles langsam in Gang setzen, kann Ateş schon bald hier mit uns sitzen, und sehen was es heißt eine starke Familie hinter sich zu haben. Ich weiß das, wenn meine Familie erst mal von uns Bescheid weiß und Ateş kennenlernt, dass sie voll hinter ihm stehen werden und ihn nicht nur als angeheirateten Schwiegersohn betrachten werden, sondern als einen Teil von uns.
Wir alle singen, lachen und erzählen uns einfach was zur Zeit alles bei uns los ist. Diese harmonischen Zeiten haben mir so gefehlt, und ich habe das Gefühl das sie meine Seele reinigen und zur Ruhe bringen.
Als ich sehe, dass mein Handy aufblinkt muss ich lächeln, als ich sehe wer anruft. Solange meine Familie abgelenkt zu sein scheint, erhebe ich mich und laufe in die Küche um den Anruf entgegen nehmen zu können.

„Hey." gehe ich ran und lächle glücklich vor mich hin. Obwohl ich davor schon ziemlich glücklich war, rast mein Puls jetzt dennoch viel stärker, als ich seine Stimme höre „Hallo Hayatim. Wie gehts dir? Bist du schon Zuhause?" fragt er mich und ich höre sofort die Zuneigung aus seiner Stimme heraus. Bis heute wusste ich nicht ein mal, dass ich jemanden brauche, der mich anruft und sich einfach über meinen Tag und mein Wohlergehen erkunden möchte.
Aber jetzt weiß ich, dass mein Leben nur halb so schön wäre, wenn er nicht da wäre.
„Mir geht es gut und dir? Heute hatte ich schon um 15 Uhr aus, ich bin schon Zuhause." erzähle ich ihm und warte seine Antwort ab „Hast du Lust noch etwas raus zu gehen? Ich bin in der Nähe und könnte dich abholen." ich höre bei ihm ein Rascheln und wie eine Autotür zugeschlagen wird „Ja klar ist irgendwas los?" ich laufe hoch in mein Zimmer, um eine Strickjacke überzuwerfen und mir meine Tasche zu nehmen „Nein keine Sorge. Ich dachte wir könnten vielleicht darüber reden, wann wir es deinen Eltern sagen möchten? Ich meine es sind jetzt eineinhalb Wochen vergangen, als wir entschieden haben zu heiraten." erzählt er mir von seinen Plänen.

Seufzend laufe ich die Treppe wieder runter und sage kurz Bescheid, dass ich noch kurz weg muss. Die Tür ziehe ich hinter mir zu, nachdem ich mir meine Schuhe angezogen habe und erst vor der Tür antworte ich ihm „Das käme mir wirklich gelegen. Ich fühle mich schrecklich, weil ich es ihnen verheimliche, auch wenn es keinen Grund dafür gibt. Ich weiß nur nicht wie ich das angehen soll." murmle ich und laufe auf die Bäckerei zu, die irgendwie zu unserem Platz geworden ist.
„Ich bin in fünf Minuten bei dir okey? Dann reden wir weiter." schlägt er vor „Tamam, dann bis gleich." verabschiede ich mich von ihm und laufe die letzten Meter zur Bäckerei.

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