- Celia -
Geblendet von den Strahlen der morgendlichen Sonne kneife ich meine Augen etwas fester zusammen und bedecke sie obendrein mit meinem angewinkelten Arm.
Meinem angewinkelten Arm, der immer noch in dem Ärmel des Kapitänsmantels steckt, in dem ich während der vergangenen Nacht geschlafen habe.
Und das erstaunlich erholsam.
Beinahe schon geborgen, so umgeben von dem schweren Mantelstoff und der wohligen Wärme des Innenfutters.
Wärme, die zuvor von…ihrem... Körper ausgegangen ist…Dieser doch recht gewöhnliche Gedanke lässt mich ungewöhnlich lange innehalten, bis ich meinen angewinkelten Arm wieder von meinen Augen nehme und stattdessen über meinen sich zu einem Gähnen anbahnenden Mund lege.
Auch wenn ich nach wie vor nicht so recht weiß, was ich von dem vermeintlichen Captain dieses Schiffes halten soll, kann ich nicht bestreiten, dass diese Frau mit ihrer Aussage bezüglich der nächtlich aufkommenden Kälte vollkommen richtig gelegen hat.
Schon als ich den Frachtraum nach meinem kleinen Rundgang erneut betreten habe, wurde mein Körper von einem derartigen Schauer durchzuckt, dass ich sogleich die restlichen Knöpfe des Mantels mit zitternden Fingern schließen musste.
Und auch die darauf folgenden Stunden der Nacht erwiesen sich nicht unbedingt als gnädiger.
Auch nicht, was das tosende Rauschen der Wellen und das ununterbrochene Schwanken des Schiffes betraf.Trotz dessen habe ich von alldem kaum etwas mitbekommen, nachdem die Erschöpfung über die Aufregung des vergangenen Tages von mir überhand genommen hat und ich in einen tiefen traumlosen Schlaf gefallen bin.
Und das nur dank ihres Mantels…und dank ihr…dieser besonderen Frau mit den ozeanblauen Augen…Über diesen Gedanken brütend verweile ich noch für einen Augenblick auf meinem Rücken liegend, bis ich meine Arme und Beine weit von mir strecke und mich mit einem weiteren Gähnen auf die Seite drehe…nur um direkt in ein Paar dunkelbrauner Augen zu blicken, welches mich umgehend in eine aufrecht sitzende Position hochfahren lässt.
„Grundgütiger!“, stoße ich voller Entsetzen hervor und presse meine Hand auf die Stelle, an der mein pochendes Herz wie wild gegen meinen Brustkorb trommelt, „bist du denn des Wahnsinns, Bürschchen?! Was erlaubst du dir, mich derart zu erschrecken?“
Der Eigner des dunkelbraunen Augenpaares, ein Junge mit ebenso braunen Locken und der wohl kaum mehr als zehn Lebensjahre zählt, betrachtet mich unterdessen aufmerksam mit schief gelegtem Kopf, ehe er diesen zurück in eine gerade Haltung bringt und im Anschluss daran mit seinen schmalen Schultern zuckt.
„Bonnie hat gesagt, es ist unhöflich, wenn man eine Lady aus dem Schlaf reißt.“
Bonnie?
Meint…meint er damit etwa…Noch während ich über diesem Gedanken verweile und dabei sein alles andere als angebrachtes Verhalten mir gegenüber nicht beachte, kneift der Knabe seine Augen etwas zusammen und lehnt sich noch ein wenig mehr zu mir vor, als er mich genauer mustert.
„Bist du denn auch wirklich eine echte Lady?“
Also wirklich!
Das ist doch unerhört!
Selbst wenn ich die Unsinnigkeit über den infrage gestellten Wahrheitsgehalt außer Acht lasse, scheint dieser Jüngling tatsächlich nicht zu wissen, wie man sich gegenüber einer Dame verhält.
Angefangen bei der richtigen Form der Ansprache bis zu dem höflichkeitsgebietenden Abstand, welchen man stets gegenüber einer Lady zu wahren hat.
Insbesondere gegenüber einer unverheirateten Lady…Aber etwas anderes kann man wohl auch nicht von einem Jungen erwarten, der unter Halunken und Söldnern aufwächst…
Mit einer Mischung aus Missfallen und Mitgefühl betrachte ich den Knaben, der mich immer noch voller Neugier und Faszination mustert, und hebe, nach kurzem Durchschnaufen, mein Kinn mit dem zunehmenden Straffen meiner Schultern an.
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Romance1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...