- Celia -
Das sieht doch recht passabel aus…
Mit beiden Händen streiche ich über den raschelnden Stoff des hellbraunen Kleides, welches mir bis zu meinen Knöcheln reicht.
Es ist ein schlichter Schnitt, welcher sich gewiss nicht mit den maßgeschneiderten Stücken messen kann, welche Vater stets für mich von den Schneidern anfertigen lässt, die auch in den Diensten einiger Adeliger des Königshauses stehen.
Und dennoch schmiegt sich dieses Kleid aus einfachem Leinenstoff auf eine derart angenehme Weise an meinen Körper, wie es selbst die feinste Seide bislang nicht vermochte.
Ein sanfter Seufzer entflieht meiner Brust und ich zupfe den Stoff in meinem Brustbereich noch einmal zurecht, ehe ich meinen Blick über die unzähligen Kleider, Gewänder, Hosen und Hemden schweifen lasse, welche die Regale an den Wänden der Kammer schier überquellen lassen.Schon als ich diesen Raum im oberen Stockwerk der Taverne hinter Marisa betreten habe, haben sich meine Augen vor Staunen über dieses beachtliche Konvolut geweitet.
Marisa, die meine Sprachlosigkeit mit einem erheiterten Kichern bedacht hat, erklärte mir, dass es jedem Bewohner von „Safe Haven“ gestattet ist, sich an den vorrätigen Kleidungsstücken zu bedienen, da es wohl keine Seltenheit sei, dass die Kleidung sowohl durch die vorwiegend körperliche Arbeit auf der Insel als auch durch die verschiedenen Seefahrten der Männer beachtlich in Mitleidenschaft gezogen wird.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den leerstehenden Zimmern, die sich über den langen Flur des oberen Stockwerkes erstrecken und welche von den Inselbewohnern als gelegentliche Unterkunft genutzt werden. Meist für den Fall, wenn Reparaturen an den Behausungen vollzogen werden müssen oder falls man nach einem trinkreichen Abend nicht mehr in der Verfassung ist, den Heimweg anzutreten.
Oder eben auch, wenn einer der Tavernengäste nach einer faustlastigen Auseinandersetzung wieder zu Kräften kommen muss, so wie der besagte Benedict, nach welchem Marisa schauen gegangen ist, nachdem sie mir ein paar der sorgsam gefalteten Kleider herausgelegt hat.
„Wenn dir keines dieser Kleider zusagt, kannst du dir ruhig ein anderes aussuchen, de acuerdo?“, hat die dunkelhaarige Frau mir noch mit einem abschließenden Zwinkern zugeraunt, ehe sie wieder zurück auf den Flur getreten ist und die hölzerne Tür mit einem leisen Quietschen hinter sich zugezogen hat.
Noch halb in Gedanken verweilend, drehe ich mich einmal um sich selbst, und streiche erneut über den angenehmen Kleiderstoff, welcher sich so vortrefflich an meinen Körper schmiegt.
Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Wohlwollen und Herzlichkeit mir diese ungewöhnlichen Menschen entgegenbringen.
Man sollte meinen, dass sie Fremden wie mir eher mit Misstrauen und Vorsicht begegnen würden, vor allen Dingen aufgrund ihrer zwielichtigen Lebensart.
Und dennoch habe ich nichts von alldem in meinen bisherigen Begegnungen verspürt.Mit Ausnahme von diesem grobschlächtigen Morris, der jedoch ohnehin kein allzu hohes Ansehen zu genießen scheint…zumindest nicht unter den Männern der Crew des Captains…
Und natürlich auch meine flüchtige Begegnung mit der Mutter des Captains, deren Verhalten mir immer noch arg zu denken gibt…„Wie ich sehe, seid Ihr fündig geworden, Miss Celia…“
- Bonnie -
Gerade noch rechtzeitig gelingt es mir, meinen Blick von Miss Celias schmaler Taille zu lösen und ihn ein Stück zu heben, wodurch ich geradewegs in das bernsteinfarbene
Augenpaar der herumwirbelnden Lady sehe.„Herr im Himmel, müsst Ihr mich derart erschrecken?!“, fährt sie mich ungehalten an und drückt dabei ihre zarten Finger auf die Stelle, an welcher ich ihren hämmernden Herzschlag vermute.
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Romance1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...