# 29 - Zweifel und Gewissheit

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- Celia -

Wie konnte ich nur so töricht sein?

Ein schmerzhafter Stich durchstößt meine Brust, während ich wie versteinert zusehe, wie Marisa sich in einer eng umschlungenen Umarmung an den Captain schmiegt und deren
Lippen mit atemlosen und zugleich fordernden Küssen einnimmt.

Wahrlich, wie konnte ich nur so töricht sein?
So blauäugig?
So kopflos?
So…ach, Himmel noch eins…!

Die Wut über mich selbst mischt sich in meiner Brust gleichermaßen mit den Gefühlen von Reue und Scham über mein Verhalten in den vergangenen Tagen und es gelingt mir nur äußerst beschwerlich, meine ausdruckslose Miene bei dem frivolen Treiben direkt vor meinen Augen aufrecht zu erhalten.

Ich hätte es besser wissen müssen…
Oh ja, ich hätte es in der Tat besser wissen müssen!
Eine hedonistische Frau wie der Captain würde sich doch niemals mit der Zuneigung einer einzelnen Frau begnügen!
Und gewiss wird Marisa auch nicht die einzige Frau sein, die den Avancen des Captains verfallen ist…genauso wie ic-…

Nein!
Oh nein, ganz sicher nicht!
Ich mag durchaus einigen Augenblicken der Schwäche erlegen sein…sicherlich bedingt durch ungewöhnliche Lage, in welcher ich mich seit einigen Tagen befinde…aber niemals, nie und nimmer bin ich einer Frau…und dann auch noch ausgerechnet dieser Frau…verfallen!
Ich…ich weigere mich, diesen Unfug zu glauben!
Und ich werde es auch nicht!
Niemals!

„Oh, Bonita“, seufzt Marisa derweil versonnen auf und löst sich mit einem tiefen Seufzer von dem Captain, „endlich bist du zurück. Du hast mir so sehr gefehlt, mi amor.“

„M-Marisa…i-ich…ä-ä-ähm…“

Das Zittern in der Stimme des Captains nimmt gehörig zu, als ihr verschreckter Blick meinen findet, was auch das junge Tavernenmädchen zu mir sehen lässt.

„Oh perdón, Celia“, sagt Marisa und fährt sich mit einem verlegenen Lachen durch ihr langes dunkles Haar. „Es tut mir Leid, dass ich eure conversación unterbrochen habe. Ich habe mich nur so sehr gefreut meine Bonita endlich wiederzusehen.“

Meine Bonita…dass ich nicht lache!
Oh, wenn diese gutgläubige Frau nur wüsste, wie sich der Captain in den vergangenen Tagen mir gegenüber verhalten hat!
Diese selbstherrliche Piratenprinzessin mit ihrem elenden Charme und ihrem verruchten  Schmunzeln und diesen verdammten…gottverdammten blauen Augen!
Das…das ist doch unerhört! Schlicht und ergreifend unerhört…

Aber nein…
Ich werde mich nicht länger über diese unmögliche Verhaltensweise echauffieren, wenn ich doch eine Mitschuld an meiner Misere trage…

Hergott, wie konnte ich Cedric bloß vorwerfen, dem Geschwätz eines raufsüchtigen Trunkenboldes gefolgt zu sein, wenn ich selbst tagelang den vermeintlich aufrichtigen Bekundungen einer zwielichtigen Piratentochter Glauben geschenkt habe?

Ich hätte mir doch darüber im Klaren sein müssen, dass Sitte, Anstand und Moral solchen Menschen vollkommen fremd sind und allenfalls einem Zweck dienen.
Und dieser Zweck scheint sich just in dem Augenblick erfüllt zu haben, als ihr Schiff, beladen mit den Waren meines Vaters, im Hafen dieser mysteriösen Insel vor Anker gegangen ist...

Ich…ich hätte das trügerische Spiel des Captains durchschauen müssen…ich hätte ihren verlogenen Worten widerstehen müssen…ich hätte…ich…

Es bedarf meines sämtlichen Maßes an Beherrschung, die schmerzende Enge in meiner Brust und die wachsende Verachtung gegenüber meines unvoreingenommenen Glaubens weiter hinter einer unberührten Miene zu verbergen, während Miss Fitzgeralds Worte wie ein nicht enden wollendes Echo in meinen Ohren rauschen.

Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt