# 33 - Gestalten und Geständnisse

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- Celia -

„Du hast noch einen Bruder?“

„Ja, sehr richtig.“

Meine Mundwinkel heben sich zu einem Lächeln und ich nicke leicht, während Kathryns vor Erstaunen blinzelnder Blick auf mir ruht.

Das anfängliche Unbehagen, welches ich zu Beginn unserer Unterhaltung noch gegenüber der kundigen Heilerin verspürt habe, ist umso mehr verflogen, umso länger ich neben ihr im Gleichschritt durch den silbrig schimmernden Sand geschritten bin und mittlerweile habe ich sogar jegliches Zeitgefühl darüber verloren, wie lange wir schon über den schier endlosen Küstenstreifen wandeln.

Es ist eine merkwürdige…nicht greifbare Empfindung…
Beinahe so, als wäre mir die Heilerin von „Safe Haven“ schon seit einer Ewigkeit vertraut und nicht erst seit dem heutigen Tage…

Dass Kathryn meine Mutter zu kennen scheint, verwundert mich dagegen weniger.
Andernfalls wäre ihr Verhalten gegenüber mir bei unserem ersten Aufeinandertreffen in der Taverne auch äußerst verwunderlich gewesen.
Gewiss wird ihr die Ähnlichkeit zu meiner Mutter gleich ins Auge gesprungen sein, so wie auch schon Roger und dem Piratenkönig zuvor.

Und dennoch vermag ich es bislang nicht zu beurteilen, in was für einem Verhältnis meine Mutter und Kathryn zueinander gestanden haben könnten…

„Cedric ist drei Jahre älter als ich“, fahre ich derweil unter Kathryns aufmerksamen Blick fort und führe eine Hand an meinen Mund, um ein dezentes Räuspern dahinter zu verbergen. „In ein paar Jahren soll er Vaters Geschäfte übernehmen. Und bis es so weit ist, unterstützt Vater ihn noch bei den Handelsgesprächen und steht ihm mit Rat und Tat zur Seite.“

„Das…ist durchaus aufmerksam von deinem Vater.“ Trotz ihres Lächelns wird Kathryns Stimme von einem zögernden Klang begleitet, welcher mich leicht die Stirn runzeln lässt, woraufhin Kathryn sich wiederum mit einem beherzten Schlucken eine verirrte rostrote Strähne hinter ihr Ohr streicht. „Ich nehme an, du hast ein gutes Verhältnis zu deinem
Bruder?“

„Oh ja, in der Tat“, erwidere ich und nicke zustimmend. „Auch wenn er zuweilen überaus leichtsinnig und unbedacht sein kann, hat Cedric ein gutes Herz. Schon im Kindesalter hat er immer auf mich Acht gegeben und dafür gesorgt, dass es mir gut geht. Und diese Umsichtigkeit und Fürsorge gegenüber mir zeichnen ihn bis heute aus.“

„Das klingt sehr schön.“ Trotz des spärlichen Mondlichts erkenne ich, wie sich mein Lächeln auf den Lippen der erfahrenen Heilkundigen zu spiegeln beginnt. „Virginia wird sich gewiss sehr glücklich schätzen, zwei so wundervolle Kinder wie euch beide zu haben.“

Ein schmerzhafter Stich durchstößt meine Brust und lässt mein Lächeln arg erzittern, ehe ich meinen Blick mit einem harten Schlucken hinab zu meinen Füßen senke, die noch immer den silbrigen Sand des schmalen Küstenstrandes durchstreifen.

Hat…hat Roger ihr nichts davon erzählt?
Weiß Kathryn etwa nicht, dass Mutter…dass…sie…

„Habe…“, vernehme ich die zaghafte Stimme von Kathryn neben mir und blinzle den Tränenschimmer, welcher sich bedrohlich über meine Augen gelegt hat, entschlossen weg, „verzeihung, aber habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Nein, das…das haben Sie nicht, Kathryn“, entgegne ich und schüttle den Kopf, bevor ich nach einem leisen Räuspern wieder in das besorgte Gesicht der Heilerin von „Safe Haven“ blicke. „Ganz im Gegenteil, Sie…Sie haben ja Recht. Für meine Mutter waren Cedric und ich stets das Wichtigste in ihrem Leben und sie...sie hat uns sehr geliebt.“

„Was…was bedeutet das?“ Der ungewöhnlich tonlose Klang in Kathryns Stimme verrät ihr wachsendes Misstrauen, ebenso wie ihre leicht zusammengezogenen Augenbrauen. „Gibt es etwa einen Grund, weswegen Virginia dich und deinen Bruder nicht mehr lieben sollte?“

Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt