- Celia -
„So schweigsam, Miss Celia?“ Ich spüre Rogers Blick auf mir ruhen, mit welchem seine blauen Augen mich aufmerksam von der Seite betrachten, so als wollten sie in meine tiefsten und verborgensten Gedanken sehen. „Ich habe Euch doch gesagt, dass Ihr unbesorgt sein könnt, was die Güte und Gastfreundlichkeit von Edward anbelangt. Und wie Ihr gesehen habt,
habe ich mit dieser Aussage auch uneingeschränkt Recht behalten.“„Zweifelsfrei hatten Sie das, Roger“, entgegne ich und nicke, ehe ich meinen Kopf zu dem erfahrenen Bootsmann wende, „meine Nachdenklichkeit ist jedoch bei Weitem nicht diesem Umstand geschuldet.“
„Ach nein?“ Die silbrigen Brauen des alten Mannes heben sich vor Verblüffung, bevor sich sein Gesicht zu einem kryptisch lächelnden Ausdruck verzieht. „Sagt bloß, Ihr seid um das Wohl unseres Captains besorgt und was ihr wohl blühen mag, wenn ihr Vater von der verbotenen Plünderung Eures Handelsschiffes erfährt?“
Der obskure Unterton, welcher dabei in dem Tonfall von Rogers Stimme mitschwingt, lässt mich schwer schlucken, ehe ich knapp, aber bestimmt, mit dem Kopf schüttle.
„Mitnichten, Roger. Ich gehe zwar davon aus, dass der Vater des Captains dieses Missachten einer zuvor getroffenen Absprache gewiss nicht begrüßen wird, sehe aber dennoch keinen Grund, weshalb das Wohl des Captains aufgrund dessen gefährdet sein sollte. Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, wie außerordentlich zuvorkommend sich ihr Vater mir gegenüber verhalten hat. Einer Fremden, deren Anwesenheit hier eigentlich nicht erwünscht sein sollte.“
„Verstehe.“ Rogers langsames Nicken kann den Funken der Neugier in seinem Blick nicht verbergen. „Und weshalb seid Ihr dann derartig in Gedanken versunken, wenn ich fragen darf?“
„Gewiss dürfen Sie fragen, Roger.“
„Aber Ihr werdet mir nicht antworten?“
„Ich würde Ihrer Frage lieber mit einer Gegenfrage begegnen.“
„Aha.“ Die Miene des Bootsmannes wird immer fragender, wenngleich auch nun ein gewisser Hauch an Vorsicht darin mitschwingt. „Und welche Gegenfrage wäre dies, Miss Celia?“
„Nun“, ich hole tief Luft und straffe meine Schultern zu einer aufrechten Haltung, bevor ich mich mit erhobenem Kinn wieder zu Roger wende, „ich würde gerne wissen, in welchem Verhältnis meine Mutter und der Piratenkönig zueinander standen.“
„Virginia und Edward?!“
„Sehr richtig“, erwidere ich auf den ungläubigen Ausruf des alten Mannes, dessen Augen eine tellerrunde Größe angenommen haben, „Sie haben mir erzählt, dass Sie und…Edward…meine Mutter damals in einer Taverne kennengelernt haben, in welcher sowohl Sie beide als auch meine Mutter genächtigt haben, nicht wahr?“
„Ja, das…ähm“, Roger räuspert sich einmal etwas umständlich, nickt aber, „das ist richtig.“
„Gut“, fahre ich fort und räuspere mich ebenfalls, wobei ich den Bootsmann der „Groundhog“ jedoch nicht aus den Augen lasse, „denn so, wie Ihr wertgeschätzter Piratenkönig mich gerade eben angesehen und gemustert hat, scheine ich ihm offenbar bekannt vorgekommen zu sein.“
„Ihr seid nunmal das Ebenbild Eurer Mutter.“
„Ich weiß“, pflichte ich Roger bei und recke mein Kinn noch ein wenig mehr in die Höhe, „und deshalb möchte ich auch erfahren, in welcher Art von Beziehung meine Mutter zu dem Vater des Captains stand.“
„Was für eine Art von Beziehung, um bei Euren Worten zu bleiben, erwartet Ihr denn, Miss Celia?“Rogers Frage trifft mich unverhofft und lässt mich einen Augenblick lang nach Luft schnappen, als mein Blick seinem amüsierten Schmunzeln begegnet.
Also wirklich!
Dass dieser alte Trunkenbold sich nicht schämt, mir derartige Mutmaßungen zu unterstellen…!
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Romance1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...