- Celia -
„Wollt’ Ihr wirklich nichts trinken, Miss?“
„Oh, ähm…das ist sehr aufmerksam von Ihnen, Henry“, sage ich und hebe lächelnd, aber ablehnend beide Hände, „aber ich denke, ich verzichte.“
„Ganz wie Ihr wünscht, Miss. Aber zögert bitte nicht, mir Eure etwaigen Trinkwünsche kundzutun. Schließlich stehe ich noch in Eurer Schuld für Eure helfende Hand bei dieser leidigen Zählarbeit“, entgegnet der Schiffskoch mit einem polternden Lachen, ehe er den halbvollen Humpen in seiner Hand an seinen Mund führt und zwei kräftige Schlucke davon nimmt.
Unterdessen beobachte ich von meinem Platz auf den Stufen des Steuerstandes aus das rege Treiben, welches sich seit den frühen Abendstunden an Deck des mir inzwischen recht vertrauten Schiffes abspielt.
Das basslastige Gegröle von Johnny, Andrew und Morris, die vollends in ihr Kartenspiel vertieft sind, wird von den fröhlichen Klängen von Lewis’ Fiedel und seiner feinen Gesangsstimme begleitet, während Billy frohen Mutes um den jungen Musiker herumtollt und mehr schlecht als recht versucht, dem Gesinge mit seiner Kinderstimme zu folgen.
Derweil gesellt sich Henry wieder zurück zu Roger und dem Captain an der Reling, die dem hinkenden Schiffskoch erfreut mit ihren Humpen zuprosten, ehe sie sich wieder ihrem bereits begonnenen Gespräch zuwenden.
Ein leichtes Zittern lässt meinen Körper erschauern, als ich sehe, wie sich die fein geschwungenen Lippen des Captains zu ihrem charakteristischen Schmunzeln verziehen, bevor sie etwas auf Rogers vorgetragene Worte erwidert und im Anschluss daran mit verschlagenem Blick einen Schluck von ihrem Humpen nimmt.
Auch wenn ich sie erst zuletzt heute Morgen in Henrys Kombüse angetroffen habe, kommt es mir so vor, als läge unsere letzte Begegnung eine halbe Ewigkeit zurück.
Ein Gefühl, welches ich bislang bei noch keiner anderen Person verspürt habe.
Ein beinahe…sehnsüchtiges…Gefühl…
Ich schüttele meinen Kopf über diesen konfusen Gedanken und schiebe diesen auf mein ungestilltes Begehren nach Ruhe und Schlaf.
Weshalb sollte ich auch sonst über ein derart unangemessenes Gefühl sinnieren?
Erst recht gegenüber einer Frau, und dann auch noch mit ihrem familiären Hintergrund!Und dennoch kann ich nicht bestreiten, dass…dass…
Ich wage es nicht, den von mir begonnenen Gedanken zu Euch zu führen und verweile stattdessen mit fest ineinander verschlungenen Händen auf den Treppenstufen, während mein Blick weiterhin auf sie gerichtet ist.
Ob sie verwundert gewesen ist, als Henry ihr die Listen mit den verschiedenen Bestandszahlen gebracht hat?
Denn trotz seiner bedenklichen Zeit als Seeräuber, scheint Henry ein im Grunde aufrichtiger Mann zu sein und als dieser wird er dem Captain gewiss unterbreitet haben, dass die Angaben auf den Listen meiner Feder entstammen…Gedankenverloren senke ich meinen Blick, um die goldgeknöpfte Weste über meiner Brust zurecht zu zupfen, und streiche mir eine leicht gewellte Strähne hinters Ohr, als mich der abrupte Fall eines Schattens wieder aufsehen lässt.
„Habt Ihr einen angenehmen Abend, Miss Celia?“
- Bonnie -
Ich schmunzle über den erschrockenen Ausdruck der jungen Lady, deren bernsteingleiches Augenpaar sich um ein beachtliches Stück weitet, als ich neben ihr auf den Stufen des Steuerstandes Platz nehme.
„Ich darf mich doch zu Euch setzen, oder?“, frage ich und schlage bereits meine Beine gekonnt übereinander, während die geweiteten Augen von Miss Celia zu blinzeln beginnen, bis sie schließlich ein verhaltenes Räuspern von sich gibt.
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Romance1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...