- Celia -
Ein Schauer durchfährt meinen Körper, als ich mich unter dem wachsamen Blick des ozeanblauen Augenpaares an der Piratenprinzessin vorbeischiebe und in die Kapitänskajüte trete.
Auch wenn ich neben dem Frachtraum und der spärlichen Kombüse bislang keinen der weiteren Räume unter Deck zu Gesicht bekommen habe, bin ich davon überzeugt, dass es sich hierbei um den prunkvollsten der zur Verfügung stehenden Räume handelt.
Ein breiter Tisch aus dunklem Holz im Zentrum der weitläufigen Kajüte bildet mit dem sich dahinter befindlichen und großzügig gepolsterten Stuhl den Mittelpunkt des Raumes.
Es würde mich nicht überraschen, wenn…sie…sich hier mit ihren Männern über den weiteren Verlauf der Handelsfahrt bespricht.
Zumindest lassen die auf dem Tisch ausgebreitete und bereits leicht vergilbte Karte sowie der obendrauf liegende Kompass darauf schließen.
Die hölzernen Wände werden von vereinzelten Gemälden und Regalen mit verschiedenen Flaschen, Kelchen und Büchern geziert und über einem mit rotem Samt überzogenen Kanapee ist eine angebrachte Halterung mit einem gekreuzten Säbelpaar bestückt.Das bunt gesprenkelte Glas der Fensterscheibe daneben, dessen filigrane Arbeit sich durchaus mit der Schönheit von Kirchenfenstern messen kann, rundet diese herrschaftliche Erscheinung in vortrefflicher Weise ab.
Wahrlich, eine Residenz, die einem Captain würdig ist…
Und dort hinten, in einem fast schon abgelegenen Winkel des Raumes, verbirgt sich die von ebenfalls roten Samtvorhängen umrahmte Kapitänskoje, dessen zerwühlte Laken darauf hindeuten, dass…sie…bis vor wenigen Augenblicken noch darin genächtigt hat...
Dieser Gedanke lässt mich kurz und hart schlucken, ehe ich meinen Blick mehrfach blinzelnd wieder abwende und stattdessen beginne, mit andächtigen Schritten die Kapitänskajüte zu durchschreiten.
Mit Sicherheit spricht aus diesen kurzweiligen Regungen meines Körpers nur die versteckte Sehnsucht nach einen angemessenen Schlafgemach, welches mir in der vergangenen Nacht verwehrt geblieben ist.
So viel zu dieser vielseitig proklamierten Gastfreundschaft seitens dieser ungewöhnlichen Crew und ihres Captains.
Anstatt mich in dem durch ihren Körper gewärmten Mantel auf dem Frachtraumboden nächtigen zu lassen, hätte sie mir doch aufgrund ihrer Nachtwache durchaus ihre Koje zur Verfügung stell-…hergott, was denke ich denn da nur?!„Ich nehme an, Ihr könnt unsere Ankunft in Havanna wohl kaum erwarten, nicht wahr?“
Die fragenden Worte des Captain erlösen mich aus meinen mehr als konfusen Gedanken und ich wende mich mit einem fast schon dankbaren Seufzer zu ihr um, nur um erneut schwer zu schlucken, als ich das süffisante Schmunzeln auf ihren vorzüg-…verzogenen Lippen bemerke.
Himmel noch eins, Celia!
Besinne dich, in Gottes Namen!
Bewahre stets Haltung und Contenance, so wie es Miss Fitzgerald dir jeher gepredigt hat!
Haltung und Contenance!„Mit dieser Annahme könntet Ihr nicht richtiger liegen, Captain“, erwidere ich und hebe meinen Kopf würdevoll an, während ich meinen Rundgang gemessenen Schrittes fortsetze, „mein Aufenthalt bei Euch ist schließlich alles andere als von freiwilliger Natur.“
„Betrachtet es als einen kurzlebigen Moment der Freiheit und des Abenteuers in Eurem sonst recht vorherbestimmten Leben“, entgegnet der Captain und zwinkert mir auf mein spöttisches Augenrollen hin vielsagend zu, ehe sie seufzend eine Hand in ihre Hüfte stemmt, „dennoch
würde es mich interessieren, was Ihr tun werdet, sobald wir im Hafen von Havanna anlegen und Ihr von Bord gehen werdet.“„Mein Vater hat in vielen Städten und Häfen einflussreiche und ihn schätzende Handelspartner. So auch in Havanna“, erwidere ich schlicht und lasse meinen Blick derweil weiter über die gut bestückten Wände der Kapitänskajüte gleiten. „Über diese besagten Partner sollte es mir möglich sein, meinem Bruder oder andernfalls meinem Verlobten eine Nachricht über meinen Aufenthaltsort zukommen zu lassen.“
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Romance1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...