# 11 - Die Ruhe nach dem Sturm

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- Celia -

Angespannt lausche ich in die Stille hinein, die sich wie ein schwerer Mantel über das schwankende Schiff gelegt hat.

Verklungen sind die zornigen Angriffsschreie und das schrille Klirren der Säbel, das vor wenigen Augenblicken noch das Rauschen der Wellen vollends überdeckt hat.
Ebendieses Rauschen der Wellen, welches nun wieder meine Ohren erfüllt und somit der herrschenden Grabesstille Einhalt gebietet.

Doch was bedeutet dies?

Hat die Crew gesiegt?
Konnte sie diesen rüpelhaften Angreifern standhalten und sie in die Flucht schlagen?

Oder war sie von der Besatzung des feindlichen Schiffes übermannt worden?

Und wenn dies so wäre…was würde ein Sieg dieser Besatzung für mein Leben bedeuten?
Denn anzunehmen, dass diese Männer mich ebenfalls nicht anrühren oder mir gar widerstandslos die Freiheit schenken würden, wäre mehr als töricht…

Dieser Gedanke allein genügt, um meinen Hals derartig zuzuschnüren, dass er mir für einen flüchtigen Moment die Luft zum Atmen raubt, bis ich mit einem entschiedenen Schnauben meine Schultern straffe.

Genug mit diesen Schwarzmalereien!
Was auch immer sich dort oben an Deck ereignet hat…ich kann nicht länger hier unten untätig verweilen und die Geschehnisse völlig unbedacht auf mich zukommen lassen!

So lautlos wie möglich erhebe ich mich aus meiner kauernden Haltung und trete hinter den gestapelten Holzkisten hervor, um auf Zehenspitzen zur hölzernen Tür des Frachtraums zu schleichen.

Vorsichtig presse ich mein Ohr gegen das kühle Holz und horche, doch außer dem leisen Keuchen meines Atems und dem dumpfen Herzklopfen in meiner Brust vernehme ich keinen einzigen Laut.

Merkwürdig…

Grübelnd lege ich die Stirn in Falten.

Ungeachtet dessen, ob die Crew oder diese fremden Schufte das Schiff eingenommen haben, sollten doch zumindest das Knarren der Holzplanken ertönen, sobald man sich darüber hinweg bewegt.

Wirklich merkwürdig…

Ich schaue hinab zur Türklinke und umschließe diese sacht mit meinen Fingern, ehe ich einen tiefen Atemzug nehme und sie herunterdrücke.

Ein hohes Quietschen ertönt, doch anstatt sich unter lautem Knarzen nach innen zu öffnen, verweilt die Tür in ihrem Schloss, wie ich nach mehrmaligem Ruckeln feststelle und schließlich mit einem entnervten Seufzer die Klinke wieder loslasse.

Welch eine unbedachte Idee war es auch, mich in diesen Räumlichkeiten einzuschließen!
Als wenn ich auch nur im Ansatz den Wunsch dazu verspürt hätte, mich nach oben an Deck zu begeben, wenn sich dort allem Anschein nach ein Gemetzel abspielt!

Ich gebe einen weiteren Seufzer von mir und fahre mir mit zwei Fingern über meine vor Erschöpfung brennenden Augen.

Ich muss nachdenken.
Nachdenken und eine Lösung für diese unsägliche Misere finden, in welcher ich mich befinde.
Und vor allem muss ich Ruhe bewahren…

Haltung und Contenance, Celia.
Haltung und Contenance…

In Gedanken wiederhole ich Miss Fitzgerald’s Leitspruch und nehme mehrere tiefe Atemzüge, wodurch es mir schließlich gelingt, meinen stolpernden Herzschlag zu beruhigen.

Eine kleine, wenn auch mehr als willkommene Verbesserung meiner Befindlichkeiten.
Denn wie sagte Miss Fitzgerald stets…Haltung und Contenance sind die Schlüssel zu einem klaren Geist…Schlüssel?

Mit noch immer gerunzelter Stirn betrachte ich die Türklinke für einen Augenblick, ehe ich mich ein Stück vorbeuge und durch das Schlüsselloch linse.

Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt