- Celia -
„Was?!“
Der ungläubige Ausruf und die vollkommene Verwunderung in dem Blick der jungen Piratenprinzessin lassen mich erst noch gehemmt schlucken, ehe ich mein Kinn huldvoll anhebe.
„Soweit ich weiß, ist lediglich Eure Schulter verletzt und nicht Euer Gehör“, entgegne ich so erhaben wie möglich, wohingegen der Captain mich noch immer auf eine Art anstarrt, als würde sie denken, ich wäre völlig von Sinnen.
Und insgeheim muss ich mir eingestehen, dass ich ihr diesen Gedanken nicht verübeln kann.
Ich selbst würde mich vermutlich für vollkommen verrückt halten, wenn mir jemand dies vor ein paar Tagen erzählt hätte…„Ist dies Euer Ernst?“, setzt der Captain derweil erneut an und verzieht ihr Gesicht, als sie sich etwas mehr auf dem Kanapee aufrichtet und dadurch ihre Schulter auf unglückliche Weise bewegt, „bekommt Euch vielleicht doch das Schwanken der Seefahrt nicht? Oder…“
„Seid versichert, es geht mir bestens!“, entgegne ich etwas energischer, als ich eigentlich beabsichtigt habe, und rümpfe abfällig die Nase, während das ozeanblaue Augenpaar der verletzten Frau mich noch immer nachdenklich betrachtet.
„Aber weshalb bietet Ihr mir dann eine derartige Gefälligkeit an? Gestern habt Ihr Euch noch aufs Äußerste über den Umstand echauffiert, dass meine Crew einen Teil von den Waren Eures Vaters verspeist hat. Und vor wenigen Stunden wart Ihr vollkommen darüber erzürnt, dass wir nicht in Havanna angelegt haben und Ihr aus diesem Grund nicht von Bord gehen
konntet. Und nun…nun scheint Euch diese Gegebenheit kaum noch zu kümmern und Ihr überlasst meiner Crew und mir nicht nur ohne weitere Einwände die Waren Eures Vaters, sondern erklärt Euch ferner noch dazu bereit, mit uns nach „Safe Haven“ zu reisen. Verzeiht, Miss Celia, aber diesen Sinneswandel müsst Ihr mir bitte näher erläutern. Oder…“„O-Oder w-was?“, hake ich nach und verfluche im Stillen das Zittern in meiner Stimme, als ich das selbstgefällige Schmunzeln erblicke, welches sich auf den feingeschwungenen Lippen des Captains ausgebreitet hat.
„Oder liegt Euch mein Wohlbefinden etwa derart am Herzen, dass meine Verletzung für Euer großzügiges Entgegenkommen einzig und allein genügt?“
Mein erbostes Schnauben über die Dreistigkeit dieser unmöglichen Fragestellung büßt durch das zunehmende Glühen meiner Wangen ein wenig von seiner Wirkung ein.
Dennoch recke ich, noch immer um Fassung bemüht, meinen Kopf stolz in die Höhe.
„Dass Ihr Euch nicht schämt, mir derartige Empfindungen zu unterstellen“, fauche ich und schnaube ein weiteres Mal verächtlich, als ich mich von der Kante des Kanapees erhebe, das
feuchte Leinentuch beiseite lege und mit wichtiger Miene den Stoff meines Kleides glatt streiche, „ich tue dies keinesfalls für Euch, sondern weil es die beste Entscheidung für alle Beteiligten ist. Außergewöhnliche Umstände verlangen nun einmal außergewöhnliche Taten.“„Oh, verstehe“, entgegnet der Captain, während sie sich herausfordernd auf dem Kanapee zurücklehnt, „und von welchem Gelehrten stammt diese nette Binsenweisheit, wenn ich fragen darf?“
„Von meiner Mutter“, erwidere ich und stelle fest, dass die Selbstherrlichkeit in dem Schmunzeln der Piratenprinzessin etwas schwindet, als ich wieder von dem glatt gestrichenen Stoff meines Kleides aufsehe, „sie hat mir stets gesagt, dass jeder Mensch die Welt mit seinem Leben ein wenig besser machen sollte. Und nach dieser Prämisse hat sie immer gehandelt, bis zu ihrem Tod. Und was wäre ich für eine Tochter, wenn ich…wenn ich ihrem Beispiel dahingehend nicht folgen würde…“
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Romance1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...