- Celia -
„Ich denke, hier können wir ohne ein unerwünscht lauschendes Ohr sprechen“, raunt Roger mir mit gesenkter Stimme zu und führt mich noch ein Stück weiter an der Reling des Schiffes entlang, bis er schließlich fernab von den Crewmitgliedern an Deck stehen bleibt und sich mit einem tiefen Seufzer zu mir dreht, „Ihr seid also die Tochter von Virginia Kingston?“
„Nachdem sie meinen Vater geheiratet hat, hieß sie Cawthorne. So wie mein Bruder Cedric und ich auch“, erwidere ich kaum hörbar, wobei die vorhandene Trockenheit in meinem Hals meine Stimme noch ein wenig kratziger klingen lässt.
Als Roger mir die Frage stellte, ob mir der Name Virginia etwas sagen würde oder ob ich in irgendeiner Weise eine Verbindung zu ebendiesem Namen hätte, konnte ich förmlich spüren, wie mir meine bis dahin noch durch die vorangegangene Anwesenheit des Captains vorhandene Gesichtsfarbe aus den Wangen gewichen ist.
Billy fragte mich sogleich nach meinem Befinden und aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass auch Henry und Lewis besorgte Blicke austauschten, bis ich nach mehrmaligem Räuspern schließlich mit stockender Stimme hervorbrachte, dass der Name meiner verstorbenen Mutter Virginia gewesen sei und dies obendrein auch mein zweiter Name wäre.
Als hätte er diesen oder einen dem gleichenden Umstand erahnt, nickte Roger mit wissender Miene und nahm einen großen Schluck aus seinem Humpen, ehe er sich von seinem Hocker erhob und mich bat, ihn zu begleiten.
Den schier endlosen Weg durch das Schiff und hinauf an Deck verbrachten wir schweigend, genauso wie Roger nun auch seinen Blick wortlos über den schier endlosen Ozean gleiten lässt, bis er seinen Kopf schließlich mit einem angedeuteten Lächeln wieder zu mir dreht.
„Potztausend…ich wusste doch, dass ich Euer Gesicht schon einmal irgendwo gesehen habe. Und nun weiß ich es auch endlich. Zum Teufel, Ihr seid wahrlich das Ebenbild Eurer Mutter in dem Alter!“
„Das behauptet mein Vater auch stets“, entgegne ich und schlucke voller Unbehagen über Rogers musternden Blick, bis dieser schließlich mit einem Kopfschütteln von mir wegsieht und stattdessen einmal mit seiner geballten Faust auf die Schiffsreling schlägt.
„Zapperlot, warum bin ich da nicht schon viel früher drauf gekommen?! Das Alter scheint mich wirklich einzuholen! Bei Neptuns Dreizack, verdammt nochmal!“
Der ungewöhnlich verärgerte Gefühlsausbruch des sonst so beherrschten Bootsmannes über
sein alterndes Gedächtnis lässt mich erschrocken zusammenzucken.Was hat er denn nur?
Himmel, wenn man ihn so reden hört, könnte man beinahe annehmen, dass er sich eigenhändig dafür bestrafen möchte, dass ihm diese Auffälligkeit entgangen ist!
Auch wenn sein Ausbruch immer noch nicht die Fragen klärt, die mir so dermaßen auf der Zunge brennen…
„Ver-…Verzeiht, Roger“, setze ich nach einigen zögernden Bissen auf meine Unterlippe an, wodurch sich der Blick des grauhaarigen Mannes wieder auf mich richtet, „aber wie…wie sind Sie denn zu dieser abrupten Erkenntnis gelangt? Und woher kennen Sie meine Mutter? Waren Sie einander in irgendeiner Form vertraut oder…“„Mitnichten, Miss Celia“, unterbricht Roger meine Grübeleien und schaut mit einem tiefen Seufzer wieder zurück aufs Meer, „ich bin Eurer Mutter nur ein paar Mal begegnet. Damals haben Edward, der Vater unseres Captains, und ich für ein paar Abende in einer Taverne genächtigt, in welcher auch Ihre Mutter mit ihrem Vater und dessen Handelspartnern untergebracht gewesen ist.“
„Ich verstehe“, sage ich leise, wenn auch zögernd, wobei sich auf meiner Stirn Falten des wachsenden Zweifels bilden, „und diese kurzweiligen Begegnungen haben für Sie genügt, um sich nicht nur das Gesicht meiner Mutter, sondern auch ihren vollständigen Namen zu merken?“
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Romance1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...