- Celia -
„Roger, mein Bester!“
Trotz des polternden Männergelächters und der schallenden Musikklänge, welche dem Bootsmann der „Groundhog“ und mir beim Eintritt in die gut besuchte Taverne entgegendröhnen, ist der Ausruf der wohlbeleibten Frau, die mit einem erfreuten Lächeln und
weit geöffneten Armen hinter dem Tresen hervortritt, durchaus vernehmbar.
Der knöchellange Rock ihres farbenfrohen Kleides weht im Gleichklang zu ihren verblüffend
flinken Schritten um ihre stämmigen Beine, mit welchen sie grazil und geübt zugleich die zahlreichen Holztische umrundet, die sich ihr auf dem Weg zu uns entgegenstellen.
Dabei wird sie jedoch nicht müde, den zahlreichen Männer an den Tischen mit einem ebenso warmen Lächeln zuzunicken, bis sie schlussendlich vor Roger zum Stehen kommt, der ihr einige Schritte entgegengetreten ist.„Schön dich zu sehen, Dolly“, sagt er und schließt die strahlende Frau mit dem weißblonden Haar fest in seine Arme, „eine Wohltat fürs Auge wie eh und je.“
„Du alter Charmeur!“, entgegnet die Frau mit einem feixenden Lachen, wobei sich die zarten Falten um ihre Mundwinkel noch ein wenig tiefer in ihre Haut graben. „Sag mir lieber, ob du mir meinen Henry auch in einem Stück wiedergebracht hast.“
„Selbstverständlich habe ich das“, erwidert Roger und löst sich mit einem verschwörerischen Schmunzeln wieder aus der Umarmung, „oder glaubst du etwa, ich würde es sonst wagen, dir unter die Augen zu treten?“
„Vermutlich nicht.“ Ein weiteres Lachen stolpert über die Lippen der reifen Frau, bis sich ihre lagunenblauen Augen mit einem Mal weiten, als ihr Blick über Rogers Schulter hinweg auf mich fällt. „Oh, wen haben wir denn da?“
Herrje…
Ich schlucke über das aufmerksame Augenpaar, dessen Betrachtungsweise jedoch keinesfalls der wiedererkennenden Art des Piratenkönigs gleicht, sondern lediglich ernst gemeintes Interesse an meiner Anwesenheit bekundet.
„Ach so, ähm…natürlich.“ Mit einem Räuspern wendet sich Roger zu mir um und weist mit einer ausladenden Armbewegung zu mir. „Dolly, dies ist Miss Celia Vir-…“„Celia!“ Meine Haltung versteift sich über die allzu vertraute Nennung meines Namens durch diese mir gänzlich unbekannte Frau, die sich geschickt an Roger vorbeischiebt und nun vor mich tritt. „Welch ein schöner Name für eine gleichsam bezaubernde junge Lady.“
„O-Oh, ä-ähm…“ Die Aufrichtigkeit in den Worten dieser Lobpreisung treibt mir eine ungewollte Wärme in die Wangen. „H-Herzlichen Dank. Das...d-das ist sehr freundlich von
Ihnen, M-Miss…M-Misses…ähm…“„Dolores“, erlöst mich die reife Frau aus meinem stammelnden Leid und umfasst mein Kinn mit einer Hand, um lächelnd und versichernd zugleich mit ihrem Daumen über meine glühende Wange zu streichen, „schlicht und ergreifend Dolores, Schätzchen. Und Dolly für all jene, die seit mehr als dreißig Jahren meine Taverne aufsuchen, nicht wahr Roger?“
„Ganz recht, meine Teure“, entgegnet Roger ebenfalls lächelnd, ehe er mit einem Räuspern fortfährt, „allerdings ist unser Besuch nicht deinem hervorragenden Rum geschuldet, sondern einem vollkommen anderem Anliegen. Du musst wissen, Miss Celia ist seit einigen Tagen unser Gast auf der „Groundhog“ und aufgrund der nicht vorhandenen Garderobe an Bord, die einer jungen Lady wie ihr angemessen wäre…“
„Ich habe schon verstanden, mein Bester“, unterbricht Dolores Rogers Redefluss und zupft mit einem amüsierten Schmunzeln an dem Kragen meines weißen Leinenhemdes, bevor sie erneut lachend zu dem Tresen zurückblickt, „Marisa?“
Eine hübsche Frau in meinem Alter mit hellbrauner Haut und langem dunklen Haar hebt ihren Kopf und wischt ihre Hände an der Schürze um ihre Hüften ab, als sie, wie Dolores zuvor, den Tresen umrundet und katzengleicher Geschmeidigkeit auf uns zu tritt.
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Romance1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...