- Celia -
„Hier, für Euch, junge Lady.“
„Ähm…“, ich rümpfe die Nase und kann nur mühsam eine Entgleisung meiner Gesichtszüge verbergen, als ich den Geruch des gräulichen Breis in der kleinen Schüssel auf dem Tisch vor mir erschnuppere, „dankeschön…Sir.“
„Oh bitte, Miss. Kein Grund für derartige Höflichkeiten gegenüber einem alten Haudegen wie mir. Henry genügt vollkommen“, winkt der Koch dieses ungewöhnlichen Schiffes ab und lacht dabei erneut sein schallendes Lachen, bis sein Blick mit einem Mal etwas mitfühlender wird, „ich nehme an, dass Ihr weitaus bessere Kost gewohnt seid, nicht wahr?“
„Sagen wir es so…keine…derartige Seemannskost“, bringe ich, begleitet von einem schweren Schlucken, hervor, und greife zögernd nach dem Holzlöffel neben der Schüssel, um mit diesem die schmierige Pampe einmal umzurühren, „speisen…speisen Sie denn jeden Tag so?“
„Nur in den Tagen, kurz bevor wir in einen neuen Hafen einfahren“, erklärt Billy, der sich neben mich auf die schmale Bank am Tisch gesetzt hat und mich aufmerksam aus seinen
dunkelbraunen Augen mustert, „unser Proviant ist dann oft so gut wie aufgebraucht und deshalb kocht Henry immer einen großen Eimer Brei aus dem Rest, damit wir noch genug zu Essen haben, bis wir wieder neue Vorräte im Hafen besorgen können. Wir nennen diese Zeit
„Schweineeimer-Tage“.“„Aha“, bringe ich schwach hervor und schaue von Billy zurück zu dem Inhalt in der Schüssel vor mir, ehe ich mit pikiert gerümpfter Nase den Holzlöffel wieder loslasse und die Schüssel mit unterdrücktem Würgen von mir wegschiebe. „Ich denke, ich werde mich unter diesen Umständen noch bis zu unserer Ankunft in Havanna mit dem Essen gedulden.“
„Kann ich das dann haben?“
„Tu dir keinen Zwang an“, kann ich gerade noch erwidern, als Billy auch schon nach der Schüssel greift und dessen Inhalt gierig in sich hineinschlingt.
Man könnte glatt meinen, er würde einen vollkommen anderen Inhalt in der Schüssel sehen als ich…
„Nicht so hastig, Billyboy“, bemerkt Henry schmunzelnd und klopft mit einer Hand auf seinen wohlgenährten Bauch, „sonst machst du mir bald noch Konkurrenz.“
Mit einem weiteren schallenden Lachen wendet sich Henry von uns ab und ich hebe etwas verblüfft die Augenbrauen, als ich sehe, wie der rothaarige Schiffskoch sich unter starkem Humpeln durch die kleine Kombüse bewegt.
Das hat dieser Morris wohl vermutlich mit Hinkebein gemeint, als er Henry vorhin so derbe angefahren hat.
Wobei er mit seiner dürftig versorgten Narbe auch keine optisch angenehmere Erscheinung bietet.
Eine Narbe, die…sie…ihm scheinbar im Kampf zugeführt hat…Ein tiefer Atemzug füllt meine Lungen und ich spüre die aufsteigende Wärme in meinem Körper.
Ich kann nicht bestreiten, dass mich die forsche Präsenz ihres Auftritts zutiefst beeindruckt hat.
Wie sie diesem bedrohlichen Hünen gegenüber gestanden hat…so voller Mut und Entschlossenheit…ohne den geringsten Hauch von Zweifel und keine Spur von dem Mitgefühl, welches sie mir entgegenbracht hat, als sie mir in der vergangenen Nacht ihren Mantel gab.
Wobei Mitgefühl in einer solchen Auseinandersetzung vermutlich auch nicht allzu angebracht gewesen wäre, zumal Begegnungen dieser Art keinen Seltenheitscharakter zu haben scheinen…„Willst du vielleicht lieber ein paar Früchte haben, Celia? Wir wollen die zwar in Havna…Hanva…in Havanna verkaufen, aber Gabe meinte, dass du gestern überhaupt nichts von deinem Essen angerührt hast.“
Noch halb in Gedanken versunken, lässt mich Billys Frage wieder zu ihm sehen. Gerade noch rechtzeitig, um zu bemerken, wie der Junge sich mit dem Handrücken über den breiverschmierten Mund fährt.
Charmant…
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Romance1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...