- Celia -
Noch bevor ich meine Augen öffne, spüre ich das selige Lächeln auf meinen Lippen und schmiege mich noch etwas mehr in die weichen Laken unter mir.
Himmel…so tief habe ich schon lange nicht mehr geschlafen…
Dieser Gedanke allein genügt, um meine verträumten Züge noch ein wenig breiter werden zu lassen, ehe meinen Lippen über diesen Umstand ein zartes Seufzen entflieht.
Wie wundervoll…
Wahrlich, wie überaus wundervoll…
„Hmmm…“Das undeutliche Brummen dicht an meinem Ohr lässt mich prompt die Augen aufschlagen und ich erstarre, als ich den Arm, welcher beinahe schützend über meinen Brustkorb drapiert ist, erblicke.
Grundgütiger…
Ein Gefühl plötzlicher Enge schnürt mir den Hals zu, als ich in stiller Vorahnung über den Eigner dieses Armes meinen Blick an ebendiesem entlang gleiten lasse…vorbei an dem
schmalen Oberkörper, welcher seitlich auf mir liegt, und dem rostroten Haar, das sich wie ein
Schleier über dessen Rücken ausgebreitet hat…bis ich erneut ein nicht mehr ganz so fremdes Brummen an meinem Ohr vernehme und die zarte Haut einer allzu vertrauten Wange spüre, welche sich sanft an meiner reibt.Oh, Himmel noch eins…
Im Stillen verfluche ich das verräterische Klopfen meines stolpernden Herzens und hole tief
Luft, während die Enge in meinem Hals über die aufflackernden Erinnerungen an den vergangenen Abend wächst.Wie ich sämtliche Zweifel und Hemmungen außer Acht gelassen und mich meinem verborgensten Begehren hingegeben habe…
„Zum Teufel, dieser verdammte Rum“, knurrt die Stimme des Captains, welche von dem leisen Rascheln der Laken begleitet wird, als sie sich etwas umständlich aus ihrer bäuchlings liegenden Position erhebt und ihr Gesicht kaum einen Wimpernschlag später haarscharf über meinem verweilt.
„Celi-…ähm…Miss…Miss Celia?“, stammelt die junge Piratenprinzessin, wobei ihre ozeanblauen Augen mich sowohl verschlafen als auch verwundert anblicken, „was…was macht Ihr denn…wieso…oh nein, verflucht!”
Als hätte sie sich verbrannt, rappelt sich der Captain überstürzt auf und verweilt in kniender Position über mir, während ich mit unablässig klopfenden Herzen in der Koje liegen bleibe.
„Verdammt, verdammt, verdammt, verdammt!“, flucht sie leise vor sich hin und fährt sich mit der Hand ihres gesunden Armes durch ihr vom Schlaf zerzaustes Haar, bevor sie mit einem
Biss auf ihre Unterlippe zwischen unseren bekleideten Körper hin und her sieht und dabei fast schon ein wenig erleichtert aufseufzt, „ver-…verzeiht bitte mein ungehaltenes Verhalten, Miss Celia, aber was macht Ihr? Wieso…ich meine…w-was…w-was ist in der vergangenen Nacht geschehen?“Ihre Frage gleicht einem Felsbrocken, welcher in meiner Magengrube versinkt.
Bedeutet das etwa, dass…dass sie sich an nichts erinnern kann?
Nicht an den Kuss, zu welchem ich mich erst hinreißen lassen habe und welchen sie wiederum nur Augenblicke später auf dieselbe leidenschaftliche Weise erwidert hat?
Nicht an die Art, wie sie mich trotz ihrer Verletzung an beiden Armen gepackt und küssend vom Kanapee zu ihrer Koje gedrängt hat?
Nicht an mein erregtes Zittern, als sie mich in die Laken unter sich gedrückt und mir mit verruchter Stimme all die sündigen Dinge, die sie mit mir anstellen will, zugeraunt hat?
An rein…rein gar nichts?Enttäuschung und Zynismus mischen sich in meiner Brust und es gelingt mir nur schwer, meine Empfindungen hinter einem ausdruckslosen Schnauben zu verbergen.
Welch Ironie des Schicksals!
Da hadere ich seit Tagen mit mir, ob ich meinen wankelmütigen Gefühlen und den Bekundungen dieser Piratenprinzessin Gehör schenken oder gar Taten folgen lassen solle und
nun, nachdem ich mich diesen in der vergangenen Nacht zum Teil hingegeben habe, erinnert sie sich nicht daran.
Wahrlich, eine Ironie sondergleichen!Hergott, wie konnte ich nur so töricht sein und mich diesen frivolen Gedanken hingeben!
Wie konnte ich auch nur ansatzweise in Erwägung ziehen, dass so etwas wie Ernsthaftigkeit in den trügerischen Worten dieser räudigen Diebin steckt?
Ich bin ein Narr…durch und durch ein Narr…Aber wer weiß…vielleicht sollte es ja auch so sein…
Vielleicht sollte sich der Captain, beeinträchtigt durch ihren Rumgenuss, nicht an unser flüchtiges Beisammensein erinnern.
Vielleicht sollte es lediglich bei dieser ganz und gar einzigen Begegnung bleiben.
Vielleicht…vielleicht ist es besser so...sowohl für sie als auch für mich…„Miss Celia?“ Das Schlucken des Captains über die scheinbare Trockenheit in ihrem Hals lässt mich scharf Luft holen. „Was…was ist letzte Nacht geschehen? Zwischen... zwischen uns? Ich meine, ich…verdammt, ich werde doch nicht ohne Grund mit Euch in einer Koje erwacht sein! Also, sagt mir bitte, was geschehen…“
„Captain?!“
- Bonnie -
„Was?!“, entgegne ich barsch und fahre mit einem erbosten Schnauben zu Gabe herum, der zusammen mit Roger im geöffneten Rahmen meiner Kajütentür erschienen ist und mit entgeistertem Blick zu Miss Celia und mir hinüber starrt, „ich schwöre, Neptun soll euch beide eigenhändig kielholen, wenn ihr für eure rüpelhafte Störung keinen passablen Grund vortragen könnt!“
„Seid unbesorgt, das können wir“, ergreift Roger das Wort und klopft Gabe beherzt auf die Schulter, nachdem dieser auf meine Drohung hin nicht mehr als ein fassungsloses Blinzeln zustande gebracht hat, „wir haben das Nadelöhr passiert und Andrew meint, es dürften nicht mehr als zwei Stunden bis zu unserer Ankunft auf „Safe Haven“ vergehen.“
„Zwei Stunden, ja?“, murmle ich und seufze tief auf Rogers Nicken hin, ehe ich meinen Kopf zurück zu Miss Celia drehe, die sich ebenfalls in der Koje aufgesetzt hat.Als ihre bernsteingleichen Augen meinen Blick finden, bemerke ich die leichte Röte, welche sich dabei über die Wangen der jungen Lady legt.
Dieselbe Röte, welche sich auf ihrem Gesicht ausgebreitet hat, als ich sie in der vergangenen Nacht auf die Koje unter mir gedrückt habe und…
Ich unterbreche meine Gedanken mit einem knappen Kopfschütteln und versuche mir den wohligen Schauer, welcher durch meinen Körper fährt, nicht allzu sehr anmerken zu lassen.
Ich…ich muss geträumt haben…
Dieser elende Rum…dieser teuflische Gruß aus der Hölle…muss meine sehnsüchtigsten Wünsche in meinem Rauschschlaf zutage gebracht haben…
Denn niemals hätte Miss Celia mich aus freien Stücken und auf diese sündige Weise geküsst.
Niemals hätte sie zugelassen, dass ich sie ebenso zurückküsse und ihren wunderschönen Körper unter meinem begrabe.
Und niemals hätte ich sie liebkosen, berühren oder mich an sie schmiegen dürfen, während ich ihr meine frivolsten Fantasien bezüglich ihrer Person preisgebe.Es…es hat alles so echt gewirkt…so real…
Aber das war es nicht…nein, so wie sie mich jetzt ansieht, ganz sicher nicht.Vermutlich bin ich aus Gewohnheit in meinem trunkenen Zustand in meine Koje getorkelt, in welcher Miss Celia bereits tief und fest geschlummert hat.
Ja, so wird es wohl gewesen sein…„Captain?“ Rogers Stimme lässt mich wieder zu ihm schauen, während mein Bootsmann mich geduldig, aber auch abwartend, mustert. „Ich mag nur ungern drängen, aber die Männer warten auf Eure Anweisungen bezüglich der letzten Vorbereitungen vor unserer Ankunft.“
„Ja…natürlich, Roger“, murmle ich abwesend und werfe der noch immer leicht erröteten Lady einen letzten Blick zu, ehe ich mich aus der Koje erhebe und mit wenigen Schritten meine Kajüte durchstreife, um dort vor dem Kanapee nach meinen Stiefeln zu greifen, „ich komme schon.“
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Romance1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...