- Celia -
„Ein Fest?“
„Aye, Miss“, erwidert Lewis und hebt dabei seine Mundwinkel dermaßen an, dass sie ihm beinahe bis zu seinen Ohren reichen, ehe er voller Freude in seine filigranen Hände klatscht, „ist das nicht ein hervorragender Vorschlag unseres Captains? Herrje, schon viel zu lange habe ich die Saiten meiner treuen Fiedel nicht mehr erklingen lassen oder meine Stimme durch die Shantys und Lieder der alten Zeiten zum Besten gegeben. Doch die Feierlichkeiten am heutigen Abend werden mit Sicherheit einen fantastischen Anlass dafür bieten. Meint Ihr nicht auch?“
„Oh...ähm…gewiss, Lewis. Wenn Sie das sagen“, entgegne ich mit einem ausweichenden Lächeln und lasse meinen Blick von dem überschwänglich erfreuten Mann mit dem braunen Zopf zu Billy und Henry gleiten, die unweit von uns in den spärlichen Räumlichkeiten der Schiffskombüse stehen. „Ich bin nur ein wenig verblüfft über die unerwartete Verkündung dieser Festivität. Oder hat sich der Captain bezüglich ihrer eventuellen Motive oder Gründe dafür geäußert?“
„Zapperlot, Miss! Für ein Fest braucht man doch kein’ Grund!“, poltert Henry und lacht dabei derart schallend auf, dass ich für einen Augenblick glaube, die Schiffswände würden im Takt seines beherzten Jauchzens beben. „Damals, als Roger und ich noch unter dem Vater unseres
Captains die Meere besegelten, haben wir unsere Abende an Deck oft mit musikalischer Begleitung verbracht. Meist spielten wir bis tief in die Nacht Karten- oder Würfelspiele, tranken Rum oder Brandy, und genossen die Salzwasserluft und unser Sein in der Welt. Oder wir hielten Schauprozesse ab.“„Wohin schauen die denn diese…diese Zesse?“, fragt Billy von seinem Platz auf einem der am Rande stehenden Fässer aus und legt seinen Kopf ein wenig schief, während seine Beine ein beachtliches Stück über den Holzplanken des Schiffsbodens baumeln.
„Schauprozesse, Billyboy. Schauprozesse“, wiederholt Henry und betont dabei jede einzelne Silbe des Wortes, ehe er dem Knaben einmal kräftig durch seine dunklen Locken fährt, was diesem wiederum ein erheitertes Kichern entlockt, „und eins will ich dir sagen, kleiner Mann. Es gibt kaum n’ unterhaltenderes Spektakel. Aber das wirst du schon noch erfahren, wenn du groß und stark geworden bist und selbst auf Kaperfahrt fährst. Im Gegensatz zu Euch, Miss. Euch bleibt diese Freude leider verwehrt.“
„Ich denke, ich werde diese Versäumnis verschmerzen können, Henry“, entgegne ich auf die geradezu entschuldigende Miene des Smutjes und bin im Stillen davon überzeugt, dass ich einem gespielten Prozess vor einem improvisierten Admiralitätsgericht wohl kaum einen
nennenswerten Unterhaltungsgrad abgewinnen könnte.Trotzdem lässt mich das vorfreudige Funkeln in Billys braunen Augen, mit denen er strahlend zu Henry emporblickt, leicht lächeln. Wenngleich auch ein wenig wehmütig.
Vermutlich wirken diese verheißungsvollen Versprechen von Plünderungen, Spielpartien und
theatergleichen Prozessen auf den ahnungslosen Jungen wie ein einziges großes Abenteuer.
Auch wenn ihm sicherlich, sobald er das taugliche Alter erreicht hat, sehr schnell bewusst werden wird, dass die Wirklichkeit dieses Lebens auf See kaum etwas mit den reißerischen und mitunter allzu romantisierten Geschichten dieser Männer zu tun haben wird.
Es bleibt nur zu hoffen, dass er nicht allzu spät aus dieser Illusion erwachen wird…„Nun denn“, meine Augen richten sich auf Henry, der nach einem äußerst ungalanten Hochziehen seiner Nase schwerfällig aufseufzt, „dann werd’ ich mich wohl nun um die lästige Zählarbeit im Frachtraum kümmern müssen.“
Zählarbeit?
Während ich Henrys schwerfälliger Miene mit einem verhaltenen Stirnrunzeln begegne, klopft Lewis ihm mit einem mitfühlenden Blick auf die massige Schulter.
„Vielleicht wird es dieses Mal nicht allzu beschwerlich werden.“
„Nett, dass du mich aufmuntern willst, alter Freund, aber das ist leider vergebens“, entgegnet Henry und gibt einen weiteren tiefen Seufzer von sich, was Billy wiederum den Kopf schief legen lässt.
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Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)
Roman d'amour1696, irgendwo im Atlantischen Ozean, nahe der mittelamerikanischen Küste: Wir schreiben das goldene Zeitalter der Freibeuter und Piraten. Sehr zum Leidwesen der 21-jährigen Kaufmannstochter Celia, die bei der Kaperung des Handelsschiffs ihres Vat...