# 34 - Blut Im Sand

617 68 13
                                    

- Celia -

Nicht stehen bleiben!
Nur nicht stehen bleiben!
Bloß weiter…immer weiter!

Das scharfe Brennen meiner keuchenden Lungen erschwert mir mehr und mehr das Atmen und treibt mir, ebenso wie die Kratzer des mitunter dornigen Gestrüpps an meinen Armen und Füßen, beißende Tränen in die Augen.

Das silbrige Mondlicht, welches Kathryn und mir noch zuvor treu den Weg geleitet hatte, vermag es nicht, durch das dichte Blätterdach über mir zu dringen, weshalb ich nahezu blind durch die düsteren Sträucher und Buschwerke der Insel haste.
Doch selbst wenn mir ein solch vertrauensvoller Schein des Lichts vergönnt gewesen wäre, würde ich ihn wahrscheinlich nicht zu nutzen wissen, da ich schon lange jegliche Kenntnis darüber verloren habe, wo ich mich befinde.

Lediglich Kathryns Ruf hallt wie ein warnendes Echo in meinen Ohren wider…

„Lauf, Celia! Lauf!“

…ebenso wie der hasserfüllte Blick aus Morris’ dunklen Augen mir in meiner flackernden Erinnerung wiederkehrende Schauer über den Rücken fahren lässt.

Bloß…weiter…immer…weiter…
Nur nicht…stehen bleiben…
Nicht…stehen bleiben…

Herrgott nochmal…!

Obwohl ich mit aller Kraft dagegen ankämpfe, spüre ich, wie das zunehmende Stechen in meinen Seiten meine stolpernden Schritte langsamer werden lässt.

Nein…Himmel noch eins…nicht doch!

Heiße Tränen der Verzweiflung benebeln meine Sicht, während ich krampfhaft versuche, meinen Brustkorb mit weiteren Atemzügen zu füllen, deren klägliches Schnaufen die Stiche in meiner Brust jedoch nur noch weiter wachsen lassen.

Ich darf jetzt nicht stehen bleiben!
Ich darf mich nicht meiner wachsenden Erschöpfung hingeben!
Ich darf nicht…!

„Grundgütiger!“ Unfähig zu schreien oder gar zu begreifen, welches unerwartete Hindernis mich so plötzlich an meinem Vorankommen gehindert hat, spüre ich zwei kräftige Hände an meinen Oberarmen, die mich fest packen und am Weiterlaufen hindern. „Miss…Miss Celia?“

„Roger!“

Ein Schluchzer der Erleichterung entweicht meiner beklemmten Brust und ich fahre mir mehrmals und recht undamenhaft mit beiden Händen über mein Gesicht, um den Tränenschleier über meinen Augen zu lösen, bis ich schlussendlich, trotz der überwiegend herrschenden Dunkelheit, Rogers blaue Augen vor mir erblicke.

„Oh, d-dem…d-dem H-Himmel sei D-Dank“, stammle ich mit erstickter Stimme und spüre, wie noch mehr Tränen über meine Wangen hinunter rinnen, wohingegen der Bootsmann der „Groundhog“ mich mit einem äußerst besorgten Blick bedenkt.

„Ist Euch nicht wohl, Miss Celia? Kommt, lasst uns dort drüben auf dem kleinen Fels Platz nehmen und dann erzählt Ihr mir in aller Ruhe, was geschehen…“

„Nein!“ Mein beherzter Einwand lässt den erfahrenen Seemann vor Schreck zusammenfahren. „Nein, das geht nicht, Roger! Ich…wir…wir müssen fort von hier! Augenblicklich!“

„Augenblicklich?“ Auch wenn ich Rogers Gesichtszüge nur spärlich erkennen kann, sehe ich dennoch die zweifelnden Falten auf seiner alternden Stirn. „Verzeiht mir mein Zögern, Miss Celia, aber weshalb…“

„Da ist ja unsere feine Lady…“

Ich erstarre in meiner Haltung und spüre, wie sämtliche Farbe meinem Gesicht entweicht, als ich Morris’ eisige Stimme hinter mir vernehme.

Oh nein…nein, bitte nicht…

„Morris?“ Unfähig ihn zu warnen oder gar davon abzuhalten, spüre ich, wie Roger sich an mir vorbeischiebt und vor mich tritt, wobei seine Stimme von wachsendem Misstrauen durchzogen ist. „Was soll das? Warum bist du nicht bei den Festlichkeiten in Dolores’ Taverne? Und weshalb treibst du dich noch zu so später Stunde so fernab von dem Dorf umher? Und noch dazu mit Miss Celia! Wolltest du ihr etwa Angst einjagen?“

Salzwasserküsse (Celia & Bonnie - Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt