Ungewöhnliche Angst

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Sie sind noch keine 1000 Meter weit gekommen als sie einen markerschütternden Schrei hören. Sienna und Hector zucken zusammen und sehen sich nach der Quelle des verzweifelten Schreis um. "Kannst du die Richtung bestimmen?", Hector schüttelt bedauernd den Kopf. Sie beide wissen dass der Hilferuf von einem jungen Mädchen stammen musste. "Sollen wir na...", setzt Hector an, doch weiter kommt er nicht denn das Mädchen beginnt wieder zu kreischen, dieses Mal noch lauter und verzweifelter als zuvor.

Ohne Worte und mit stummen Einverständnis navigieren die beiden auf das Mädchen zu. Auch wenn es schrecklich klingt, aber durch ihre anhaltenden Schreie konnten sie die Richtung festlegen und sind in wenigen Minuten bei ihr. Auf den letzten Metern verstummt sie ganz plötzlich. Sienna sieht Hector mit aufgerissenen Augen an und wartet auf sein Kommando. Sie werden dem Mädchen entweder zusammen helfen oder gar nicht. Hector nickt fast unmerklich und deutet Sienna mit der Hand nach links zu gehen während er es von rechts versuchen wird. Hoffentlich geht das gut. Bevor Sienna gehen kann, greift Hector nach ihrem Handgelenk und zieht sie ganz nahe zu sich sodass sich ihre Nasenspitzen berühren. "Pass auf dich auf", flüstert er zärtlich und drückt ihr einen Kuss auf die Stirn.

Im ersten Moment weis Sienna gar nicht was sie tun soll. Was sollte das denn? Verwirrt schaut sie ihm nach wie er im Dickicht verschwindet. Wahrscheinlich will er für Spannung sorgen, damit die Leute aus dem Kapitol nicht gelangweilt nach mehr Action fordern. Sie berührt vorsichtig ihre Stirn und kann seine Lippen dort immer noch spüren. So sanft und liebevoll. Obwohl es nur ein gehauchter Kuss war fühlt es sich für Sienna nach viel viel mehr an. Fast schon wie ein Versprechen. Als ob er sagen würde: Keine Sorge. Ich werde zurückkommen, genauso wie du. Aber kann er das wirklich versprechen? So hatte sie sich noch nie gefühlt. Als ob sie zwischen zwei Stühlen stehen würde und jeden Moment einer der beiden weggezogen werden könnte.

Wie es wohl wäre wenn wir uns nicht hier kennengelernt hätten sondern in einer anderen Welt? So wie in meinen Traum? Ohne die Hungerspiele, ohne die Distrikt und ohne Panem, dafür in einem einfachen Haus im Wald, wo uns keiner stört...Würden wir uns in einer anderen Situation auch gut verstehen oder liegt unsere Verbindung einfach den Umständen zugrunde? Dass keiner von uns beiden auf sich allein gestellt sein will und so ein riesiges Gefühlschaos entsteht?

"HILFE!", ein weiterer Schrei reißt Sienna aus ihrer Trance. Das Mädchen! Wie um alles in der Welt konnte ich das Mädchen vergessen? Ohne auf ihre Umgebung zu achten stürzt Sienna durchs Unterholz und folgt den Schreien. Links neben ihr fällt eine Klippe etwa 10 meter hinab und unten fließt der Fluss vorbei. Sie haben sich unbemerkt wieder dem Fluss angenähert, von dem sie eigentlich versucht hatten wegzukommen.
Sienna hört einen weiteren Schrei, der viel viel näher klingt als sie gedacht hätte. Und tatsächlich, als sie um einen besonders großen Busch herum geht sieht sie die kleine Dina an einem Fuß vom Baum herab baumeln und wild um sich schlagen.
Wo ist denn ihr Distriktpartner? Die beiden wollten doch ein Team bilden? Schnell schiebt sie den Gedanken beiseite und macht einen Schritt in die kleine Lichtung hinein.
Sollte Hector nicht auch schon längst hier sein? Gerade als Sienna beginnt sich Sorgen um ihn zu machen stolpert er aus einem gegenüber liegenden Gebüsch heraus und sieht sich hektisch nach etwas um. Erst als er Sienna sieht legt sich die Aufregung in seinem Blick und er wird sichtlich ruhiger. Dank seiner Tollpatschigen Aktion hat ihn nun auch Dina entdeckt. "Weg! Mach dass du wegkommst! Sie wollen dich! Das hier i...", kreischt sie aber weiter kommt sie nicht denn aus dem Dickicht kommt ein Speer angeflogen und versinkt in ihrer Brust.

Die 67. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt