Herzschmerz

351 19 0
                                    

Es gibt nur eine Art von Liebe die man sich in der Arena vorstellen kann, die "Es-ist-gerade-so-gefährlich-und-du-hast-Muskeln-also-lass-uns-zusammen-sein"-Liebe. Es ist schon einige Male passiert dass sich Tribute miteinander verbündet haben und dann mehr aus dem Bündnis wurde. Diese "Liebe" endete meistens dass einer der Partner im Schlaf getötet wurde. Aber es gab noch nie diese verkorkste, ernsthafte und ungeschminkte Liebe wie Sienna sie empfindet. Die Liebe, die einem das Herz zerbricht wenn man mit dem Partner nichtmehr zusammen sein kann. Die Art von Liebe die wahr ist und Narben hinterlässt. Genau das passiert gerade mit Sienna.

Sie sitzt auf ihrem Baum und weint so leise es nur geht. Hector und sie hatten nicht lange miteinander und sie hat das Bündnis auch aufgelöst, aber das heisst nicht dass es ihr nicht genau so weh tut. Dazu kommt auch noch die blanke Überlebensangst. Paul hat gestern zwei Tribute getötet. Im besten Fall war einer davon Kate, im schlechtesten waren es nur die beiden jungen Tribute.

Kate und Paul machen mir am meisten Sorgen, und ich hoffe dass sie erst Hector töten und dann sich selbst. Dann kann ich endlich heim und diesen Albtraum vergessen. Beim Gedanken an einen toten Hector muss sie schlucken. Was hab ich mir nur dabei gedacht mich in ihn zu verlieben? So dumm kann echt nur ich sein. Wie soll ich jetzt zuhause weitermachen? Vielleicht bin ich ja egoistisch, aber ich kann mir kein Leben ohne ihn vorstellen. Ich brauche ihn. Und ich vermisse ihn jetzt schon. Die Verzweiflung ist ihr ins Gesicht geschrieben aber sie weis auch dass nur einer überleben kann. Vielleicht war es ja gut so dass wir gestern auseinander gegangen sind. Wir haben schon zuviel Fehler gemacht, und der Abschied wäre noch viel schlimmer geworden wenn wir noch mehr Zeit miteinander verbracht hätten.

Sie strafft ihre Schultern und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Die letzten Tage in der Arena sind angebrochen, es wird zeit zu beweisen dass nicht nur die Karrerios jagen können. Sie rafft ihre Sachen zusammen, greift nach ihrer Axt und hangelt sich langsam den Baum hinunter. Als sie den vorletzten Ast erreicht hat sieht sie sich um und lauscht angestrengt. Bis jetzt hat sie fast keine Geräusche gemacht, es kann sie also nur jemand gehört haben der direkt in der Nähe war. Als sie nach einigen Minuten immer noch nichts gehört hat springt sie vom Ast und landet elegant am Boden. Im gleichen Moment reisst ein Kanonenschuss den Wald aus der fast schon unheimlichen Stille. Nur mit Mühe kann Sienna einen Aufschrei unterdrücken. In Windeseile klettert sie wieder auf ihren Baum, diesmal wagt sie sich noch höher als letzte Nacht und hält Ausschau nach dem Hovercraft. Es dauert nicht lange da taucht es etwa 5 Kilometer von ihrem Standpunkt entfernt auf. Und ein weiterer Tribut wird langsam in die Lüfte gehoben und verlässt die Arena und diese Welt für immer. Leider ist sie zu weit entfernt um zu sehen ob es ein Junge war oder ein Mädchen. Oder ob es Hector war. Heute Abend weisst du es!

Sie muss sich jetzt zusammenreißen. Sienna verbietet es sich zu weinen. Falls Hector getötet wurde ist es jetzt eh zu spät und sie kann nachher auch noch trauern. Jetzt muss sie erstmal ihren Standpunkt wechseln. Jeder weis dass das Kapitol Entertainment braucht, und wenn sie zu lange an einem Ort bleibt und sich die Bürger des Kapitals deshalb langweilen kann es schon sein dass die Spielemacher eine extra Schikane losschicken um sie auf zu hetzen. Also klettert sie den Baum wieder hinunter und ist jetzt doppelt so vorsichtig. Nur weil der Hovercraft weit weg ist bedeutet das nicht dass der Mörder auch soweit entfernt ist. Wenn die Person auf Jagd ist und wirklich schnell unterwegs ist, muss Sienna sich beeilen. So schnell sie kann rennt sie durch das Unterholz, immer aufmerksam, immer bereit angegriffen zu werden. Aber es kommt nichts. Sienna rennt so schnell dass sie ihre Umgebung nichtmehr scharf wahrnehmen kann. Ihr einziger Gedanke ist so schnell wie möglich auf die Anfangswiese zu kommen. Dort kann sie mögliche Angreifer schon von weitem erkennen und sich auf einen Kampf gefasst machen, anders als im Wald kann sich dort keiner hinter Gebüschen oder Bäumen verstecken. Allerdings kann sie sich auch nicht verstecken und ist exponiert. Aber das kann jetzt nicht ihre Sorge sein. Sie will das die Spiele jetzt zu Ende gehen. Heute Abend ist Schluss, wenn ich es schaffe ein riesiges Lagerfeuer zu machen wird bestimmt einer der beiden anderen Tribute auftauchen. Dann trennt mich nur noch einer von zuhause. Sienna weis auch nicht woher der plötzliche Wandel kommt, vor einer Stunde saß sie noch weinend auf einem Baum und konnte sich ein Leben ohne Hector unter keinen Umständen vorstellen, und jetzt ist sie bereit alles dafür zu tun um zu überleben. Das tun die Spiele . Sie verändern einen. Machen sie zu kalten Maschinen, denn um die Spiele zu gewinnen muss man mindestens einen Menschen töten.

Sienna braucht ewig bis sie endlich die Wiese erreicht. Sie ist um Mittag aufgebrochen und jetzt ist die Sonne schon fast ganz untergegangen. Bevor sie ganz stehen bleibt um die Wiese in aller Ruhe auskundschaften zu können sieht sie sich um. Der Boden sieht nicht so aus als hätte vor kurzer zeit ein Kampf stattgefunden. Aber sie kann auch nicht ausschliessen ob jemand vorbeigekommen ist. Sie ärgert sich über sich selbst. Jetzt hat sie fast keine Zeit mehr ein Lagerfeuer zu machen. Nachdem sie lange genug die Wiese beobachtet hat und sich absolut nichts gerührt hat wagt sie sich ins freie. Die Holzstöcke die sie auf dem Weg gesammelt hat sollten ein gutes Feuer abgeben. Groß genug um gesehen zu werden aber gleichzeitig auch klein genug dass es nicht wie eine Falle aussieht. Sie wagt sich etwa 40 Meter in die Wiese hinein und späht beim Feuer machen immer wieder über ihre Schulter ob sich ein Angreifer anschleicht. Aber alles bleibt ruhig. Sienna stapelt das Holz aufeinander, reisst etwas von ihrem Shirt herunter um es als Anzünder zu verwenden und bereitet das Feuer fertig vor. Dann wartet sie. Nach den Bildern entfache ich das Feuer und warte im Schutz der Bäume auf sie.

Endlich ertönt die Hymne Panems und der Himmel erhellt sich. Als erstes erscheint Ky gefolgt von Bella. Ich habe ihr noch geraten sich auf einem Baum versteckt zu halten. Hoffentlich ist ihr das nicht zum Verhängnis geworden! Als letztes erscheint Kate am Himmel. Dann wird alles wieder dunkel. Paul, Hector und ich sind noch im Rennen. Beide sind mir körperlich überlegen. Meine falle muss einfach klappen, sonst habe ich keine Chance. Meine größte Hoffnung ist es dass ich einen der beiden aus dem Hinterhalt angreifen kann und nicht von ihnen angegriffen werde. Also los, je mehr Zeit vergeht desto vorsichtiger werden sie sein. Mit diesem Gedanken entfacht sie ihr Lagerfeuer.


Die 67. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt