Kaylas Interview

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Ich sitze in einem prunkvollen Sessel, in einem prunkvollen Saal, der in einem noch prunkvollerem Haus ist und vor mir sitzt der komischste Mann den ich je gesehen habe, und im Fernsehen sieht man viele verrückte Kapitolbürger. Er schlürft gerade mit gespitzten Lippen an einem Tee, ganz vornehm mit abgespreiztem kleinen Finger und immer darauf bedacht seinen grell grünen Lippenstift nicht zu verschmieren. Ein komischer Kauz. Wie er hier so selbstverständlich auftaucht, inmitten von Holzfällern in ihren Arbeitsoveralls tauchte er aufeinmal auf um mich abzuholen. In Highheels, bei denen mir schon vom anschauen die Füße wehtun und einem Aufzug dass ich mich schämen muss. Eine pinke Fellhose, ein giftgrünes Hemd und einen himmelblauen Schal. Und natürlich dem typisch durch zu viele Schönheitsoperationen entstellten Gesichtsausdruck.

Jetzt sitze ich hier und werde schon seit einer gefühlten halben Stunde für das Interview hergerichtet. Auf meine Frage warum ich nicht so gefilmt werden kann wie ich bin habe ich nur ein aufgesetztes schrilles Lachen als Antwort erhalten und seitdem war ich still. Warum müssen sie auch mich auswählen um über Sienna zu sprechen? Diese interviews sind einfach nur grausam und erinnern die nächsten Angehörigen nur an die schreckliche Situation in der ein geliebter Mensch gerade steckt. Eine weitere Methode um den Schrecken der Hungerspiele möglichst lebendig zu halten. "So, jetzt kann man dich vor eine Kamera setzen", säuselt der Mann, zufrieden mit seiner Arbeit. Ohne mich im Spiegel anzuschauen nicke ich und gehe in den anderen Raum, in dem das Interview stattfinden wird. Langsam bekomme ich Lampenfieber. Was ist wenn er mich komische Fragen fragt? Oder ich mich verhasple? Oh Gott das wäre so peinlich... Ich wische meine verschwitzten Hände an der schicken schwarzen Kostümhose ab. Das muss man ihm lassen, er hat mich ganz schlicht eingekleidet und das Kostüm ist keineswegs außergewöhnlich, es ist eine enganliegende Hose, eine einfache weiße bluse und darüber ein schlichter schwarzer Blazer. Und obwohl man sie sicher nicht sehen wird und ich auch absolut nicht darin gehen kann, hohe Schwarze Pumps. Vielleicht darf ich die Sachen ja nach dem Interview behalten.

Ein junger Mann öffnet die große Türe schwungvoll und macht eine ausladende Geste in meine Richtung. Dann erst fällt mir das Kamerateam hinter ihm auf. "Das meine lieben Fans ist Kayla, die beste Freundin unserer wunderbaren Sienna Deer.", flötet der Mann und schon kommt der Kameramann auf mich zu. Unbeholfen lächle ich und winke in die Kamera. "Hallo Kayla, schön dich zu sehen. Ich bin Augustus und freue mich dass ich dich heute interviewen darf." fährt er fort und schüttelt meine Hand. "Es ist auch schön sie zu sehen, Augustus, auch wenn uns eher unangenehme Umstände dazu gebracht haben", antworte ich höflich und lächle ihn schüchtern an.Er lächelt zurück und setzt sich auf den Sessel gegenüber. "So, dann lass uns mal beginnen. Wissen sie woher Sienna die Kraft fürs Überleben in der Arena nimmt?". "Nun, sie müssen wissen dass sie eine Vollwaise ist, deshalb glaube ich dass sie ihre schützenden Hände über sie halten. Ausserdem muss sie sicherlich dauernd an ihre kleinen Geschwister denken, die ohne sie niemanden mehr hätten, da hat sie keine Zeit zu sterben." antworte ich mit bebender Stimme. Alleine der Gedanke an all das Leid dass Sienna schon durchleben musste erschaudert mir und ich bewundere wiedermal wie sie ihr Leben so nimmt wie es ist und versucht das beste daraus zu machen. "Du scheinst sie ja ganz gut zu kennen. Seit wann kennt ihr euch denn schon?",hakt Augustus neugierig nach. "Unser ganzes Leben schon. Wir haben nebeneinander gewohnt bis ihre Eltern starben und sie mit ihren Geschwistern ins Gemeindehaus ziehen musste. Bis zur Ernte waren wir unzertrennlich und haben jeden Tag Zeit miteinander verbracht.", an dieser Stelle muss ich abbrechen und mir Tränen von den Wangen wischen. "Wissen sie, ich habe solche Angst vom Fernseher wegzusehen nur um dann wenn ich das nächste mal hinsehe ihre Leiche zu sehen. Aber genussvolle Angst habe ich davor zusehen zu müssen wenn sie stirbt. Ich will einfach dass sie wieder nach Hause kommt und wir wieder über alles reden können. Oder gemeinsam Hausaufgaben machen, egal was Hauptsache wieder mit ihr. Ich vermisse sie schrecklich!" Augustus sieht mich bedauernd an und reicht mir dann ein Taschentuch. "Ich kann dich sehr gut verstehen, Kayla. Aber weisst du was? So wie Sienna sich zur Zeit schlägt hat sie ganz gute Chancen schon bald wieder nach Distrikt 7 zurückzukehren. Solange sie sich nicht in Hector verliebt hat... Hatte sie schonmal einen Freund?". Ich schütte ihm da mein Herz aus und alles was ihn interessiert ist ob sie schonmal einen Freund hatte? "Nein hatte sie nicht. Bis jetzt hatte sie immer zu viel zu tun um mit Jungen auszugehen.", antworte ich wahrheitsgetreu. "Alles klar, Vielen dank für deine Zeit, Kayla. Als nächstes sehen wir Andrew. Siennas besten Freund". Mit diesen Worten schüttelt er mir die Hand und ein weiterer Mann begleitet mich nach draussen.


Die 67. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt