Die Zugfahrt

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"Dreh dich mal um und halt deine Haare hoch", fordert Andrew Sienna auf. Sie dreht sich um und spürt wie er ihr eine Kette um den Hals legt und sie hinten verschließt. Instinktiv greift sie nach dem Anhänger. 

"Was ist das?" "Das ist die Kette die mein Bruder in seinen Spielen getragen hat, und er wollte dass ich sie dir als Glücksbringer mitgebe, du weist ja dass jeder Tribut einen persönlichen Gegenstand mitnehmen darf!", flüstert Andrew ganz nah an Siennas Ohr. "Dreh dich jetzt nur nicht um! Nicht dass er noch auf komische Gedanken kommt und mich küsst!!!", denkt Sienna sich und antwortet:"Dankeschön". 

Bevor sie weiter reden können wird die Türe wieder aufgerissen und der unfreundliche Friedenswächter kommt herein um Andrew abzuholen, aber er nimmt nicht Andrew,  sondern packt Siennas Arm und zerrt sie hinter sich her. 

"Jetzt ist es soweit. Kopf hoch Sienna, sie wollen eine Gewinnerin? Dann sollen sie sie haben!",sagt Sienna sich leise, reckt den Kopf stolz in die Höhe und stolziert mit soviel Anmut hinter dem Friedenswächter her wie man nur haben kann wenn dieser einen praktisch hinter sich her schleift. Draußen stehen nur noch vereinzelte Menschen herum, die wahrscheinlich feiern, dass ihre Kinder nicht ausgewählt wurden oder ihren Wettgewinn einfordern. 

Denn es gibt durchaus Menschen die Wetten darüber abschließen, ob der gezogene Tribut in Tränen ausbricht oder sich jemand freiwillig meldet, je nachdem wie sie gerade drauf sind. Nach der Ernte holen die glücklichen Gewinner dann ihr Geld ab. 

Doch der Platz ist nicht komplett verlassen, mindestens 10 Kameras sind auf sie und Loic gerichtet, der ein paar Schritte vor ihr geht, beziehungsweise geschleift wird. 

Die Kameras filmen jeden Schritt, zeichnen jeden Gesichtszug auf und speichern jede Emotion für immer, um sie dann während der Spiele als ‚vorher Material' zu verwenden. Reportagen wie das Leben des Tributs außerhalb der Arena und der Spiele ausgesehen hat, sind in den letzten Jahren im Kapitol immer beliebter geworden. Dort wollen sie Extravaganz sehen, über die hundertste weinende Tributin wird keiner sprechen. Aber über eine arrogant auftretende Außenseiterin vielleicht schon. Und dieses vielleicht könnte den Unterschied zwischen Sponsoren und Hilflosigkeit, zwischen Leben und Tod in der Arena ausmachen. Sienna sieht ihre Chance und lächelt breit in die Kameras, die sie  alle begeistert filmen. Sie wirft mit ihrer freien Hand einen Kuss in das Kamera Gewirr und steigt dann in den superneumodischen Zug ein. Die Züge die das Holz abtransportieren sind allesamt alte Klapperkisten und es sind auch schon öfter einige auf der Strecke stehen geblieben. 

Sienna bleibt in der Tür stehen und dreht sich um, während Loic direkt im Inneren des Zuges veschwindet. Er hat nicht aufgesehen, sondern ist mit gesenktem Kopf und schleppendem Schritt über den großen Platz gestoplert. Sienna kennt ihn zu wenig um mit Sicherheit sagen zu können, ob diese Kraftlosigkeit mit den Hungerspielen zu tun hat oder normal für ihn ist, sie hofft nur, dass er ihr nicht in die Quere kommen wird.

Die Türen schließen sich geräuschlos und mit einem kleinen Ruckeln beginnt sie ihre Reise zum Kapitol.

"Bis bald, Distrikt 7. Bis bald.", flüstert Sienna und folgt den anderen in den Wagon.

Die 67. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt