Sternenhimmel

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"Ich kann es nicht fassen. Wer Bitteschön hat Cassia und Rose getötet?", ungläubig starrt Sienna auf die Portraits der beiden. "Vielleicht war es Albert und Paul hat sie sofort gerächt? Oder sie sind gegenseitig übereinander hergefallen.",mutmaßt Hector und kratzt sich nachdenklich am Hinterkopf. Die beiden haben sich einen neuen Baum gesucht, weit weg von ihrem alten Versteck und somit auch hoffentlich weit genug von den anderen Tributen entfernt die die Spiele zu Ende bringen wollen. Sie sitzen eng aneinander gekuschelt auf einer Astgabel und starren gebannt in den Himmel, aber nach Alberts Portrait verdunkelt er sich wieder und sie sehen nichts anderes als die Fake Sterne. Sienna legt ihren Kopf auf Hectors Schulter und seufzt schwer. "Wer ist denn jetzt schon alles tot? Loic, Leafy, George und Lisa aus drei,Shane, Kyle, Emma, Fred, Philippa, Marco, Shane und Dina, Amanda, Laura, Hunter, Rose, Cassia und Albert. Bleiben noch 6. Du, ich, Paul, Kate, Ky und Emma" Betrübt schaut Sienna zu Boden. 18 Tribute, 18 junge Menschen deren Leben zur Belustigung des Kapitols in dieser Arena ein Ende gefunden hat. Hector legt seinen Arm um sie und drückt sie an sich. "Ich weis, es ist schrecklich. Aber zwischen uns un zuhause stehen nur noch 4 Tribute. 4! Es könnte tatsächlich klappen!" "Hec," setzt Sienna an, doch er lässt sie nicht ausreden sondern versiegelt ihre Lippen mit einem Kuss. Aber sosehr Sienna in diesem Moment versinken will, sosehr sie auch versucht die Realität auszublenden, sie schafft es einfach nicht.

Ich will doch nur den Moment genießen, liebes Hirn. Bitte! Das könnte mein letzter Kuss mit Hector sein, lass ihn mich geniessen! Denk einfach mal für eine Minute nicht daran dass jede Sekunde ein Tribut mein Leben beenden könnte. Konzentrier dich doch einfach auf die schönen Sachen! Der Sternenhimmel über dir zu Beispiel! Hector scheint den Stimmungswandel zu spüren, denn kurze Zeit später löst er sich von ihr. "Lass uns für heute Nacht nicht daran denken wo wir sind, ok? Lass uns einfach so tun als wären wir nur Sienna und Hector, nicht Sienna und Hector Tribute in den Hungerspielen. Damit wir Erinnerungen aneinander haben, falls etwas geschehen sollte.", traurig sieht er sie an. Dann räuspert er sich und wischt sich mit beiden Händen übers Gesicht. Als Antwort nickt Sienna nur und schmiegt sich wieder an seine Brust. Hector drückt ihr einen Kuss auf den Haaransatz. Für einen Außenstehenden, der absolut nichts über Panem und die Hungerspiele weis sehen die beiden aus wie ein glücklich verliebtes Pärchen, die einen Abend in der Wildnis aus vollen Zügen geniessen. "Hec, ich glaube nicht dass jemand heute Wache halten sollte. Paul ist jetzt alleine und von den anderen Tributen habe ich seit einiger Zeit nichts gesehen, ausser natürlich der kleinen aus 5.", schlägt Sienna schlaftrunken vor. Sie selbst ist viel zu müde um auch nur annähernd in der Lage zu sein auf sie Acht zu geben und auch Hector sieht mitgenommen aus. Der Arenaschlaf tut ihnen beiden nicht gut und sie könnten eine ruhige Nacht gut gebrauchen. "Das ist eine gute Idee.", flüstert Hector zu und deutet in den Sternenhimmel. "Ich weis dass die Sterne nur projiziert sind, aber der Stern dort sieht so aus wie Cassiopeia. Kannst du was große W sehen? Sie ist mein Glücksbringer." Als er den Glücksbringer erwähnt fasst Sienna unter ihr Tshirt und berührt den Anhänger den Andrew ihr zum Abschied geschenkt hatte. Vorsichtig holt sie ihn heraus. "Ich habe auch einen Stern als Glücksbringer dabei. Den hat mir mein bester Freund Andrew zum Abschied geschenkt. Seinen Bruder könntest du aus dem Fernweh kennen. Lucas, er hat vor ein paar Jahren die Spiele gewonnen und das war sein Glücksbringer. Jetzt soll er mir Glück bringen.", erklärt Sienna und hält den Anhänger in die Höhe dass Hector ihn ansehen kann. Bewundernd streicht er über die glatte Oberfläche. "Der ist wunderschön, kein Wunder dass er dir Glück gebracht hat! Wir haben meistens keine Glücksbringer dabei, und wenn doch sind sie meistens präpariert oder Waffen, deswegen ist meiner etwas nicht greifbares, das mir das Kapitol nicht wegnehmen kann.", erläutert Hector daraufhin, ohne den Anhänger loszulassen. Dann richtet er sich auf, fährt sich mit beiden Händen übers Gesicht und dann durch die Haare. "Hör zu Sienna, ich muss das jetzt einfach sagen! Auch wenn wir vor 5 Minuten ausgemacht haben nicht über die Arena zu reden!", er hält kurz inne um ihre Reaktion zu studieren. Sienna sieht ihn mit großen Augen an, nickt aber um ihm zu verstehen zu geben dass er weitersprechen soll. "Falls mir etwas passiert, falls wir angegriffen werden und ich verletzt werde und nichtmehr weiter kann musst du mir versprechen dass du so schnell es nur irgendwie möglich ist abhaust! Es kann sowieso nur einer von uns gewinnen deswegen...", aber er bringt den Satz nicht zu Ende. Für einen Moment ist Sienna sprachlos, es scheint fast als ob sie fieberhaft darüber nachdenkt ob Hectors Aussage Sinn macht oder nicht. Dann setzt sie sich gerader hin und strafft ihre Schultern. "Du kannst mich nicht so küssen, mir etwas so persönliches erzählen und dann von mir erwarten dass ich dich einfach zurücklassen würde falls du verletzt wirst!", flüstert sie, doch obwohl sie ganz leise gesprochen hat kann man die unterdrückte Wut heraushören. Warum muss er das gerade jetzt ansprechen? Wir hatten ausgemacht dass diese Nacht frei von Sorgen sein sollte.

"Versteh mich doch bitte Sienna!", fleht Hector und will ihr Gesicht zu seinem drehen, aber sie will ihn nicht ansehen. "Bitte, denk darüber nach! Paul ist ausgebildet um zu töten und Kate ist gerissen! Wenn sie mit mir beschäftigt sind hast du genügend Zeit davonzurennen um dich in Sicherheit zu bringen!" "Du sagst das gerade so als ob du dein Leben schon aufgegeben hättest!" widerspricht Sienna trotzig und verschränkt ihre Arme vor der Brust. "Wenn ich mich zwischen einem Leben ohne dich entscheiden müsste oder dem Tod, ist meine Wahl ziemlich eindeutig!", gesteht Hector. "Wie kannst du es wagen? Glaubst du nicht dass es mir genauso geht? Glaubst du etwa du bist mir egal?", ihre Stimme bricht am Ende des Satzes und eine einzelne Träne rinnt ihre Wange hinunter. "So habe ich das doch nicht gemeint, Sienna! Ich will dich doch nur beschützen." Hector versucht sein bestes das aufgebrachte Mädchen zu beruhigen. "Beschützen? Beschützen willst du mich? Du hast sie doch nichtmehr alle! Ich kann sehr gut auf mich alleine aufpassen, vielen dank auch. Ich hätte nie gedacht dass du so über mich denkst!", braust Sienna auf, jetzt unverkennbar wütend. "Weisst du was? Vergiss es. Vergiss unser Bündnis, vergiss uns! Wenn du ernsthaft glaubst dass ich mich hinter dir verstecken werde und dann wie ein Feigling abhaue hast du dich gehörig geschnitten!" Mit diesen Worten packt sie ihren Rucksack und ihre Waffen und macht sich daran den Baum hinunter zu klettern. "Sienna! Bleib hier! Du reagierst nur über! Bitte geh jetzt nicht", fleht Hector wieder. Von Sienna kommt nur ein missbilligendes "Pfff", und sie klettert weiter nach unten. "Wage es ja nicht mir zu folgen oder mich zu suchen. Wenn ich dich das nächste Mal sehe bist du ein Tribut, nichtmehr ein Verbündeter, Hector!", droht sie als sie den Boden erreicht hat. Dann sieht sie sich vorsichtig um, durch die klare Nacht und die vielen Sterne ist der Wald beinahe hell. Sie wischt sich die Tränen von den Wangen, atmet tief ein und geht dann los, weg von Hector, weg von ihrer ersten Liebe, und in die echten Hungerspiele hinein. Zeit wieder in der Realität anzukommen. Grimmig dreinschauend stapft sie durch den Wald, immer darauf bedacht möglichst wenig Geräusche zu machen.  Zwei kurz aufeinanderfolgende Kanonenschüsse zerreissen die Stille der Nacht. In der Ferne hört sie wie Hector ihren Namen schreit. Aufgescheucht von dem plötzlichen Wandel der Geschehnisse, sprintet Sienna zum nächstgelegenen Baum und klettert so schnell es geht nach oben. Ihre Finger schmerzen schon von der Anstrengung und der Kälte, aber sie weis dass jede Sekunde des Zögerns ihre letzte sein könnte. Und tatsächlich, kaum hat sie eine sichere Höhe erreicht und der Baum aufgehört verräterisch zu schaukeln sprintet Paul unter ihr vorbei. Sienna wartet einige Minuten mit angehaltenem Atem, dann erst traut sie sich wieder zubewegen. Sie macht es sich so gemütlich wie möglich und fällt schließlich, zitternd vor Kälte in einen unruhigen Schlaf. Nur noch vier Tribute übrig


Die 67. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt