Der letzte Kampf

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Sienna sucht schon seit  Stunden mehr oder weniger ernsthaft nach Hector, aber egal wie genau sie die Umgebung absucht, sie hat immer das Gefühl ihr entgeht etwas wichtiges. Sie sieht nirgendwo ein Lager, nirgendwo Anzeichen auf menschliches Leben, nicht nur Ansatzweise einen Hinweis auf Hectors Standort. Ich weis ganz genau dass Hector sich nicht verstecken wird. Er hofft bestimmt auch dass es schnell vorbei ist, da wird er es nicht noch unnötig in die Länge ziehen indem er sich in eine Höhle im entfernteren Teil der Arena zurückzieht. Also flaches Land, am besten noch ohne Schutz durch Bäume oder Gebüsch. Komm schon, Sienna, denk nach! Wo würdest du hingehen wenn du unbedingt gefunden werden wolltest? Plötzlich schlägt sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Das Füllhorn! Wie konnte sie das offensichtlichste Nicht-Versteck nur so lange nicht in Betracht ziehen? Sienna umfasst den Griff ihrer Axt fester, atmet einmal tief ein und dann ganz langsam wieder aus um ihre aufkommende Nervosität zu lindern. Aber irgendetwas stimmt nicht, beim zweiten Versuch einzuatmen bekommt sie keine Luft in ihre Lunge. Egal wie oft sie ihren Mund auf und zu klappt und immer panischer wird, sie kann die Barriere nicht überwinden. Die Bäume beginnen auf sie zu zukommen und ihre Welt scheint auf einmal ein Karussell geworden zu sein, das sich immer schneller und schneller dreht und von dem es kein entrinnen gibt. Sienna beginnt zu schwanken und scheint ihre Balance verloren zu haben, denn sie taumelt ziellos ein Stück umher bis sie schließlich mit dem Kopf gegen einen Baum stößt und stehen bleibt. Lautlos gleitet ihr die Axt aus der Hand und fällt auf den Waldboden, sie wirft ihren Rucksack nach hinten ab. Siennas Hände flattern zu ihrem Hals um zu überprüfen ob etwas äußeres ihre Atmung beeinträchtigt, doch sie findet nichts vor. Und dann erinnert sie sich wieder an die ersten Tage nachdem ihr Vater gestorben war. Sie hatte furchtbar Panikattacken bekommen und lief meistens ganz blau an, ehe ihr jemand zur Hilfe eilte, später hat sie dann gelernt wie sie sich bei einer Attacke selbst helfen konnte. Also kniet sich sich auf den Boden, streckt ihre zitternden Arme von sich und schließt die Augen. Sie stellt sich vor wie ihr Vater und ihre Mutter vor ihr sitzen und jeder eine ihrer Hände hält. Ihre Mutter sieht sie besorgt an. „Atme, Schätzchen, ich weis dass du es schaffst. Versuch dich zu entspannen und mach uns nach", ordnet sie in einem mütterlich-bestimmten Tonfall an den Sienna schon solange vermisst. Ihre Mutter und ihr Vater beginnen kurze Atemzüge zu nehmen und schnell auszuatmen und erstaunlicherweise fühlt Sienna wie sich ihre Lunge mit kleinen Luftstößen füllt. Ein, aus, ein, aus, ein, ein, aus. Je länger sie zusammen atmen desto mehr Luft kann sie holen und endlich nimmt Siennas Gesicht wieder eine Farbe an. „Danke, Mama und Papa!", keucht Sienna ganz ausser Atem und lässt ihren Blick noch kurz auf ihren Eltern verweilen. Die beiden sehen sie liebevoll aber vor allem auch wissend an. Als ob sie ahnen was gleich passieren würde. Dann öffnet Sienna ihre Augen wieder und ihre Eltern sind verschwunden. Zurückbleibt Sienna, fast ganz alleine, inmitten von zahlreichen Bäumen und Büschen, die ganz unterschiedlich aussehen und auch ganz unterschiedlich Schutz bieten. Was sie erst jetzt hört ist das leise Rauschen des Arenaflusses, in dem sie vor einigen Tagen beinahe ertrunken wäre. Erstmal hole ich mir Wasser und dann mache ich mich auf die Suche nach Hector. Nachdem sie einen Entschluss gefasst hat, greift sie, ohne sich umzusehen nach hinten, dorthin wo sie ihre Axt und den Rucksack vermutet. Aber ihre Hand greift ins Leere. Wie von der Tarantel gestochen springt sie auf und sieht sich um. Aber es scheint als sei sie alleine. „Hector? Lass uns wenigstens fair kämpfen!", schreit sie wütend und noch etwas atemlos in den Wald hinein. Wie kann er nur so unfair vorgehen? Er weis ganz genau dass ich ihm körperlich weit unterlegen bin und jetzt nimmt er mir auch noch die letzte Chance auf einen Sieg! Sie verharrt eine Weile und versucht ihn ausfindig zu machen, aber seit dem Lagerfeuer weis sie, dass wenn Hector nicht gefunden werden will, er auch nicht gefunden wird.

Sie beschließt ihre verschwundenen Sachen nicht zu suchen, sondern weiterzuwandern, und so macht sie vorsichtige Schritte auf eine kleine aber dichte Baumgruppe zu. Sie tastet immer wieder den Boden nach Schlingen ab und hält immer wieder kurz inne um zu horchen ob in ihrer Umgebung etwas verräterisch raschelt deshalb kommt sie nur ganz langsam vorwärts. Als sie vorfallsfrei zu der Baumgruppe kommt lässt sie einige Vorsichtsmaßnahmen aus und läuft blindlinks durch die eng beieinander stehenden Bäume durch. Wenn Hector wirklich hier auf sie wartet dann hat sie wenigstens etwas Schwung um ihn zu Boden zu stoßen, und wenn er hinter ihr ist wird er Probleme haben ihr mit seinen breiten Schultern so schnell durch die Bäume zu folgen. Sie muss diesen Vorteil ab jetzt einfach gezielt zu ihrem Gunsten einsetzen. Die Baumgruppe reicht fast bis zum Ufer des Flusses und als Sienna das rauschende, glitzernde Wasser sieht merkt sie erst wie viel Durst sie hat. Also beugt sie sich hinunter um mit beiden Händen Wasser zu schöpfen. Wenn sie sich davor noch einmal umgesehen hätte, wäre ihr aufgefallen dass jemand dicht hinter ihr aus dem Dickicht getreten ist. Und weil der Fluss so laut und unruhig ist kann sie auch die Schritte, die sich ihr nähern nicht hören. Sie bemerkt ihn erst als er seine Arme um ihre Hüfte schlingt und sie von dem Wasser wegzieht. Erschrocken schreit sie mitten unter einem Schluck Wasser auf und verschluckt sich daran. Hilfe! Oh Gott verdammt, ich war mir so sicher dass er nicht so schnell sein würde.

Die 67. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt