Kapitel 1

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Nervös faltete Kit das Stück Papier in seiner Hand erneut auf und dann direkt wieder zu. Er überlegte, ob er es nicht lieber wieder in seiner Hosentasche verschwinden lassen sollte, bevor er es womöglich noch im Affekt auseinanderreißen würde. Den Text kannte er mittlerweile auswendig, doch er befürchtete, dass die Worte sich eventuell doch verändern könnten, sobald er seine Augen wieder von ihnen abwandte.

Stellenanzeige:

Dringlich! Gesucht wird eine Hauslehrerin/Gouvernante oder Hilfskraft mit ähnlicher Erfahrung in der Erziehung und Unterrichtung von Heranwachsenden. Kost und Logis werden gestellt und ein gutes Honorar wird ebenfalls gezahlt. Scheuen Sie sich nicht, sich vorzustellen! –

M. Montgomery

Text und Form deuteten auf einen Hilfeschrei hin und Kit hatte sich ein Herz gefasst, obwohl er weder Erfahrung mit der Erziehung von Kindern hatte, noch eine Frau war. Wenn er ehrlich zu sich selbst gewesen wäre, hätte er vielleicht eingesehen, dass er sich nur für die Stelle interessierte, da das nächste Semester seiner Uni vor der Tür stand und seine Mietkosten sich erhöht hatten. Nun war er letztlich diesem Ruf gefolgt und befand sich vor einem massiven Eisentor wieder, was die Auffahrt zu einem gigantischen Anwesen versperrte. Grüner Rasen, so weit das Auge reichte, geschmückt mit Hecken und Büschen und einem Springbrunnen, der das Rondell vor dem Herrenhaus zierte. Wenn Kit seine Nase durch die Gitterstäbe stecken würde und einmal kräftig einatmen würde, könnte er wahrscheinlich das Geld riechen, welches in diesem Gemäuer steckte. Eine leise Stimme in seinem Kopf sagte ihm, dass er es vermutlich nicht einmal bis an die Haustür schaffen würde, bei seinem Erscheinungsbild. Er war hochgewachsen, schlank, mit schulterlangem rotbräunlichem Haar und ohne Zweifel männlich. Doch die Aussicht auf ein gutes Gehalt wollte es ihn dennoch versuchen lassen. Kurzentschlossen legte er seine Hand auf die Klinke zum Torflügel und wollte diese gerade herunterdrücken, als eine Stimme hinter ihm erklang.

"Lady Montgomery spendet bereits für das Haus der Künste", überrascht drehte Kit sich um, ohne jedoch die Hand von der Klinke zu nehmen. Verdutzt sah er in das Gesicht einer jungen Frau in Dienstmädchenkleidern. Ihre schwarzen Haare waren sorgsam geflochten und hochgesteckt.

„Sie sind Maler, richtig? Wenn Sie keinen Termin haben, sollten Sie wieder gehen. Sie verschwenden Ihre Zeit. Die Montgomerys haben viel zu tun und die Akademie erhält ohnehin monatlich ihren Scheck", ihre dunkelgrünen Augen fixierten Kit argwöhnisch.

„Woher wissen Sie, dass ich von der Akademie komme?", jetzt nahm Kit doch langsam seinen Arm runter und steckte beide Hände in die Taschen. Das war's wohl für ihn.

„Sie haben Ölfarbe an Ihrem Hemdkragen", die junge Frau scheute sich nicht, mit ihrem Finger darauf zu zeigen. Jetzt fiel Kit erst der Korb auf, den sie trug. Sie schien Einkäufe erledigt zu haben.

„Ich bin Musiker am Theater, ich habe gestern an einem Bühnenbild mitgewirkt. Sie haben wirklich gute Augen. Darf ich Ihnen zumindest den Einkauf tragen helfen?", er deutete auf ihren Marktkorb.

„Wenn es Sie glücklich macht, nur zu", sie zuckte mit den Schultern und überließ ihm den Einkauf.

„Ich schließe jetzt das Tor auf, da hätten Sie lange warten können. Das Personal ist momentan sehr beschäftigt und hat die Auffahrt nicht immer im Blick", die junge Frau zückte einen Schlüssel aus ihrer Tasche und öffnete das Schloss mit einem lauten Klacken.

„Deswegen bin ich eigentlich gekommen. Ich habe gelesen, dass ein Tutor gesucht wird? Für die Kinder der Montgomerys?", Kit versuchte beiläufig seinen besten Freund namens „Stellenausschreibung" aus seiner Hose zu zupfen, doch das Dienstmädchen winkte ab, als sie sah, was er vorhatte.

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