Audrey hatte tatsächlich Recht gehabt. Kit war in derselben Nacht noch auf die Suche gegangen Shells Versteck zu finden. Er fand den Jungen in seinem Bett. Kit hatte zunächst im Gewächshaus und in der Bibliothek gesucht und seine Schüler letztendlich in seinem Zimmer gefunden. Er lag quer über seinem riesigen Bett und es wirkte, als hätte er gegen den Schlaf angekämpft und verloren. Das helle Mondlicht fiel durch das runde Dachfenster und tauchte beinah den ganzen Raum in bläuliches Licht. Kit überlegte was zu tun war. Jetzt wo er von Shells Schwierigkeiten Schlaf zu finden wusste, wollte er ihn nicht wecken, aber er wolle ebenso wenig riskieren ihn wieder aus den Augen zu verlieren. Unschlüssig setzte er sich auf das Bett kannte und beobachtete den Jungen. Bei der Unterhaltung mit Audrey hatte er nicht fantasiert mit Shell zusammen zu sein, aber trotzdem war er irgendwie anwesend gewesen, da sie sich über ihn unterhalten hatten, was absolut kein Trost für Kit war. Shell bewegte sich viel im Schlaf. Er war unruhig und zuckte mit Armen und Beinen. Kit dachte er würde irgendetwas murmeln, konnte aber kein Wort verstehen. Für ein paar Minuten sah er nur zu. Shell stöhnte schwer, Schweiß perlte von seiner Stirn. Ob er einen Alptraum hatte?
„Yuan...?", kam über seine aufeinandergepressten Lippen. Kit rutschte etwas näher an Shell heran. Er war neugierig, ob Shell noch mehr sagen würde. Doch es folgte nichts mehr, außer eine stille Träne, die ihm über die Wange lief und dann in seinem Bettlaken sickerte. Plötzlich ging ein heftiger Ruck durch Shells kleinen Körper, es war unangemessen, aber Kit musste an Audrey denken, als sie ihre Hüfte angehoben hatte, nur dass Shell mit einem Satz plötzlich gerade im Bett saß, die Augen weit aufriss und schrie. Er sah Kit nicht an, wahrscheinlich hatte er gar nicht bemerkt, dass er überhaupt da war. Shell bebte am ganzen Körper und schrie. Speichel hing ihm dabei vom Kinn, sein Fuß krampfte und verdrehte sich dabei ungesund zur Seite. Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass Kit Angst hatte, dass Adern platzen könnten. Kit war wie gelähmt, find sich dann aber und packte Shell an der Schulter.
„Shell?", der Junge reagierte nicht, so dass Kit den Druck seiner Hand verstärkte. Er schüttelte ihn leicht, doch Shell starrte immer noch ins Nichts. Es war fast wie bei einem Krampfanfall. Plötzlich kam Leben in den kleinen Körper. Fingernägel krallten sich in Kits Unterarm, mit dem anderen Arm schlug er wild um sich und erwischte dabei mehrmals die eigene Flanke. Kit befürchtete, dass Shell sich wahrscheinlich selbst stärker verletzten würde als ihm. So beschloss er ihn mit seinem eigenen Gewicht den Teenager zu fixieren. Kit setzte sich mit Schwung auf Shells Körpermitte und drückte seine Arme hoch über seinen Kopf in die Matratze.
„Shell!", schrie er den Jungen an. Er war unerwartet stark und Kit musste alles an Gewicht nutzen, was sein Körper aufbringen konnte, er lehnte sich weiter vor, bis sich ihre Stirnen berührten und langsam merkte er, wie Shell schwächer würde.
„Kit?", Shells große starre Augen füllten sich mit Wasser und wirkten so noch heller, als sie eh schon waren. Kit wich ein wenig mit seinem Gesicht zurück. Der Junge unter ihm war blass und die Sommersprossen hoben sich noch deutlicher auf der Haut ab, die Mundwinkel zitterten. Erst als Kit sicher war mit keinem Angriff mehr rechnen zu müssen, richtete er sich wieder auf und gab Shells Hände frei. Es sah so aus, als würde Shell seine Arme an die Brust ziehen wollen, doch dann streckte er sie erneut aus. Zu Kits großer Überraschung schlang Shell seine Arme um Kits Schulter und zog ihn in eine Umarmung. Er schluchzte in seien Schulter. Die Anspannung löste sich nun auch langsam in Kits Körper, zögerlich erwiderte er die Geste. Kit hielt ihn so für eine ganze Weile, bis das Weinen und Schluchzen verklungen war.
„Warum bist du hier?", schniefte Shell und löste sich plötzlich ganz schnell wieder vom anderen. Er wandte sich ab und wischte sich die restlichen Tränen aus den Augen.
„Ich wollte mich entschuldigen", sagte Kit sanft.
„Warum? Es wollte sich noch nie jemand bei mir entschuldigen. Wieso auch? Ich bin derjenige der sich schlecht benimmt", flüsterte Shell und wandte Kit den Rücken zu.

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Dschungelfieber
AdventureCute as (S)hell - In einem fiktiven 1920 bewirbt sich der Musikstudent Kit Webster auf einen Job als Hauslehrer bei der wohlhabenden Familie Montgomery. Seine Aufgaben scheinen überschaubar: die Erziehung und Unterrichtung eines einzigen Kindes. Die...