Kapitel 12

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Kit stellte zügig fest, dass niemand auf ihn achtete. Zunächst bewegte er sich nervös unter Deck auf und ab und tat so, als hätte er ein bestimmtes Ziel oder eine Aufgabe, die er unbedingt erledigen musste. Doch seine Tarnung ließ stetig nach, als er nach der ersten Stunde an Bord nicht einmal angesprochen oder aufgehalten wurde. Es spielte ihnen in die Karten, dass die Mannschaft aus Leuten von Kurt Heth und aus Mitgliedern von der Crew der Montgomerys bestand und anscheinend auch eine dritte Partei aus günstigen Hilfskräften wie die junge Frau, die das Inventar gemacht hatte. Kit fragte sich kurz, ob Shell all diese Faktoren genau einkalkuliert hatte, aber wahrscheinlich war es nur Glück. Schnell hatte sich Kit einen Überblick über das Schiff verschaffen können. Es war groß, aber der Aufbau war nicht kompliziert und nach anfänglichen Schwierigkeiten konnte er sich sicher an Bord bewegen. Dann überlegte er, ob er Shell schon aus der Kiste befreien sollte. Doch ihn noch etwas schmoren zu lassen, war zu verlockend. Kit war überzeugt, dass er erst einmal eine Zigarette verdient hatte und gesellte sich zu ein paar wenigen Hilfskräften an die Reling, die ebenfalls rauchen wollten. Nachdem sie den Hafen verlassen hatte, war der Himmel schnell aufgeklart und die Sicht hatte sich verbessert, sodass sie ohne große Risiken ablegen konnten. Nun wehte eine kühle Brise bei strahlend blauem Himmel und Kit war fasziniert von der Aussicht auf das Meer. Das Kreischen der Möwen hatte etwas Beruhigendes und ein angenehmes Kribbeln machte sich in seinem Magen breit.

„Die Aussicht ist es wert, nicht wahr?", zu Kit gesellte sich der bärtige Mann, der ihm mit der Orangenkiste am Morgen geholfen hatte. Er zog aus der Innentasche seiner Jacke losen Tabak in einem Beutel und Blättchen, um sich eine Zigarette zu drehen. Kit beobachtete ihn, wie er fingerfertig seine Kippe rollte und das Equipment wieder wegsteckte.

„Ich heiß Sven, bin aus Norwegen ursprünglich", Sven reichte Kit die Hand. Sie war warm und der Druck fest. Die Zigarette hing ihm locker im Mundwinkel und er lächelte Kit breit an.

„Kit. Sehr erfreut", er versuchte ebenfalls kräftig zuzufassen.

„Du bist 'ne neue Aushilfe, richtig? Deine Hände sagen mir, dass du noch keine Erfahrung auf hoher See hast. Macht aber nichts, wir haben alle mal angefangen. Die einen früher, die anderen später", Sven zog kräftig an seiner Zigarette.

„Ich habe tatsächlich noch nie auf einem Schiff angeheuert", gestand Kit ihm und lachte seine Unsicherheit weg. Er war froh, dass er Sven nicht anlügen musste.

„Ich bin eigentlich Kunststudent, aber die Miete für mein Zimmer hat sich erhöht", erklärte Kit und ließ dabei außen vor, dass er ein Kind in eine Apfelsinenkiste gesperrt hatte und nicht vorhatte, auf See zu fahren.

„Ah, ich verstehe. Na, dann ist die Überfahrt ja vielleicht ein inspirierendes Abenteuer. Wird einem ja auch viel geboten. Der Pazifik und Südamerika. Wer kommt da schon so einfach hin?", Sven lächelte verschmitzt. Kit nickte.

„Nun, in erster Linie würde ich mir keine großen Gedanken über die Aussicht machen. Wir unternehmen ja keine Kaffeefahrt", mischte sich plötzlich eine weitere Stimme ein. Kit stellten sich die Nackenhaare auf. Ganz langsam drehte er sich in die Richtung, aus der sie gekommen war. Eine große, schlanke Frau mit schwarzem, lockigem Bob kam auf sie zu. Als sie Kits erschrockenes Gesicht sah, wurde ihr Grinsen breiter.

„Christopher, ich wusste doch, dass mir die Stimme bekannt vorkommt", sie blieb vor ihm und Sven stehen und verschränkte die Arme. Die junge Frau trug eine Mischung aus Funktionskleidung und Businessdress. Kits Auge zuckte nervös. Warum musste ausgerechnet von allen Menschen auf dieser Erde seine Ex-Freundin am Bord dieses Schiffes sein? Er war kein Ass in Wahrscheinlichkeitsrechnung, aber er konnte sich grob ausmalen, dass es sich um einen Fall von großem Pech handelte.

„Charlotte, was machst du denn hier?", Kit zwang sich zu einem Lächeln und bekam dabei kaum die Zähne auseinander. Diese Hexe hatte ihm gerade noch gefehlt.

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