Kapitel 6

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„Was gedenkst du zu tun?"

Es war einer dieser Tage, an denen Kit Shell zufällig auf dem Anwesen begegnete, ohne aktiv nach ihm gesucht zu haben. Durch Zufall entdeckte er das kupferrote Haar zwischen ein paar Sträuchern auf dem Grundstück der Montgomerys. Es war nicht so, dass Kit seine Pflichten vernachlässigte, doch er verbrachte weniger Zeit damit ziellos Shell zu suchen und mehr Zeit damit herauszufinden, ob Shell eine Struktur in seinem Alltag hatte und häufiger an denselben Orten zu denselben Zeiten zu finden war. Bisher hatte Kit noch nicht wirklich Erfolge zu verbuchen. Doch nun, mit mehr Glück als Verstand, hatte er Shell erwischt.

„Wonach sieht es denn bitte aus?", Shell lag im Gras auf dem Boden und hielt nachdenklich Stift und Notizblock in der Hand. Vor ihm hockte ein Frosch im Gras. Er hatte einen kleinen Kasten auf dem Rücken geschnallt und sah mehr als unglücklich aus.

„Ich habe tatsächlich keine Ahnung", gestand Kit und stemmte die Hände in die Hüfte, beugte sich leicht vor und betrachtete nachdenklich den Frosch.

„Dann hinfort mit dir, alter Mann. Du störst meine Forschung."

„Was erforschst du denn bitte? Sprengst du Frösche in die Luft?"

„Ich mag vieles mit großer Freude in die Luft sprengen, aber mit Sicherheit keine Frösche. Macht man das als Kind so, wenn man beim Pöbel aufwächst? Ganz im Gegenteil erforsche ich die Angewohnheiten von nicht beheimateten Fröschen. Mit diesem Transmitter verfolge ich ihre Bewegungen hier in der freien Natur, um herauszufinden, wo sie sich gerne aufhalten. Aber ich bezweifle, dass du damit etwas anfangen kannst. Also fort mit dir, geh Pöbel Sachen machen, in Flaschen pinkeln und so."

„Was genau ist das Problem?"

„Das Problem ist, dass ich meine Ruhe will und deine Visage die Frösche vergrault."

„Nein, ich mein, warum der Transmitter nicht funktioniert."

„Der Transmitter funktioniert, aber anscheinend der Frosch nicht. Er hat sich kaum vom Fleck bewegt, seit ich seine Bewegungen aufzeichnen wollte."

Kit runzelte die Stirn und hob dann beherzt das Amphibientier hoch. Es schaute ihn aus seinen Glupschaugen an und quakte einmal kurz klagend, als es bei Kit auf der Hand saß. Kit runzelte weiterhin die Stirn, grummelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und hob das Tier dann noch mehrmals prüfend an.

„Ich kann dir sagen, was nicht stimmt. Der Transmitter ist zu schwer für den Frosch. Deshalb bewegt er sich kaum."

„Und was soll ich jetzt tun? Ich habe nur diesen Transmitter."

„Du könntest ihn ersetzen, durch einen mit einem leichteren Gehäuse zum Beispiel."

„Woher soll ich wissen, wie leicht der sein muss?"

„Das kann man ausrechnen, ist auch gar nicht so kompliziert", beschwichtigte ihn Kit mit wohlwollender Geste.

„Dann rechne das doch aus, wenn das so einfach ist, du Genie!", erwiderte Shell empört.

„Wenn du nicht immer die Schule versäumen würdest, könntest du so einfache Rechnungen lösen. Ich schlage vor, du triffst mich morgen früh in der Bibliothek zum Unterricht, dann zeige ich dir die Formel, die du brauchst", noch ehe der Bluff, dass Kit auch nur den Hauch einer Ahnung von Mathematik hatte, auffliegen konnte, drehte sich Kit auf dem Absatz um und ging. Das war wohl das erste Mal, dass Kit hatte Shell einfach stehen lassen. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung.

Am Abend musste Kit noch zu einem Vorbereitungstreffen der Theaterstudenten, um das Bühnenbild zu vervollständigen. Er hoffte, dass er einen Bekannten von ihm dort treffen und der ihm vielleicht mit seinem mathematischen Problem weiterhelfen konnte. Kit verabschiedete sich, kurz vor 17 Uhr von Audrey, um eines der Fahrräder in die Stadt zu nehmen. Er grüßte eine Gruppe von Studenten, die vor der Akademie standen, als er auf den Hof rollte und sah zu, dass er sein Fahrrad gut unterstellte. Es sollte noch leicht am Abend regnen. Auf dem Weg zur Bühne stolperte er in die unterschiedlichsten Kommilitonen aus den Schauspielstudiengängen, Musik und Kunst. Auch ein paar Bildhauer waren anwesend. Das Licht wurde gerade eingestellt, als Kit den großen Saal betrat. Er suchte im Halbdunkeln gezielt nach einem Kopf mit langen schwarzen Locken, der zu einer Studentin der Malerei gehörte und die, die Projektleitung des Bühnenbilds mit übernommen hatte. Shanice war manchmal etwas Furcht einflößend und Kit hatte eigentlich wenig Lust sich mit ihr zu unterhalten, aber ihr Freund Morris begleitete sie meist, wenn sie Projektarbeit am Abend hatte. Kit war sich sehr sicher, dass es ihm gefiel, wie seine Freundin andere Männer herumkommandierte und er nur deswegen zu den Proben kam. Sie hatten eine sehr eigenwillige Dynamik, aber Kit war nicht der Richtige, um dies zu verurteilen. Wichtig war in diesem Fall nur, dass Morris Mathematik studierte und ihm vielleicht bei seinem Dilemma helfen konnte. Er musste es also nur schaffen, ihn von Shanice wegzulocken. Als Kit die beiden am Rand der Bühne entdeckt hatte, hob er schon den Arm, um zu rufen, als sich plötzlich eine andere Person in sein Sichtfeld schob.

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