Kapitel 17

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Kit kühlte seine Stirn an den rostigen Eisenstangen, die seine Zelle abgrenzten. Das Klima war wärmer geworden und er wusste, dass sie die Küste von Mexiko bald erreichen würden. Er hatte die letzten Tage eingesperrt unter Deck verbracht ohne viel Kontakt zu Menschen gehabt zu haben, doch er vermutete, dass sie aus dem karibischen Meer schon raus waren und sich im Golf von Mexiko befanden. Jeder Tag konnte der letzte Tag auf See sein und es bereitete Kit zunehmend Bauchschmerzen, was passieren würde, wenn sie anlegten. Sein Verhalten gegenüber Sir Heth hatte ihn mit sofortiger Wirkung unter Deck in eine Gefangenenzelle gebracht. Diese Zelle war die einzige auf diesem Schiff und nach gründlicher Untersuchung musste Kit feststellen, dass sie die meiste Zeit wohl als Ausnüchterungszelle genutzt wurde. Er hatte kein Lebenszeichen von Shell bekommen und konnte nur hoffen, dass sein cleveres Denken ihn vor größerem Unheil beschützte. Bald würde erneut die Sonne untergehen und man würde ihm das letzte Mal für den Tag etwas zu trinken und zu essen bringen. Immerhin geizte niemand mit Nahrung, er war zwar in einer siffigen Zelle eingesperrt, dennoch mangelte es nicht an ausgewogenen Mahlzeiten und Möglichkeiten sich zu reinigen. Hätten sie sich direkt zu Beginn ihrer Fahrt als blinde Passagiere zu erkennen gegeben, hätten sie ihre ersten zwei Wochen wohl etwas komfortabler haben können, als sie im Rettungsboot tatsächlich waren. Anfängerfehler, notierte sich Kit im Geiste, diesen würde er gewiss nicht noch einmal machen. Pünktlich um 20 Uhr schob sich die Tür zu seinem Abstellraum mit Gefängniszelle knirschend auf. Kit verzichtete darauf den Kopf zu heben. Gleich würde jemand in Uniform etwas Ähnliches wie „hier das Essen" nuscheln, es durch den Essensschlitz schieben und wieder gehen. Die Routine war bekannt. Schritte ertönten und endeten vor Kit, welcher weiterhin davon absah aufzusehen. Gleich würde das Nuscheln kommen. Doch statt Nuscheln ertönte ein lautes BAMS als ein flaches Essenstablett mit Wucht gegen die Stangen der Zelle geschlagen wurde. Kit erschrak so sehr, dass er vom Gitter wegsprang und ins Straucheln geriet, sodass er rückwärts auf seinem Allerwertesten landete. Adrenalin schoss ihm durch die Adern und sein Herz raste, als er aufsah und zu seiner Überraschung Shell entdeckte, der ihn mit einem breiten Grinsen begrüßte.

„Aufgewacht, alter Mann! Heute ist der Tag der Meuterei gekommen!"

„Shell! Geht's dir gut? Wo warst du?", Kit hechtete zu den Stangen und umfasste sie aufgeregt mit den Händen. Mit Shell hatte Kit nicht gerechnet, ihm fiel ein Stein vom Herzen, den Jungen in einem Stück wiederzusehen.

„Später, wir haben einen strikten Zeitplan!", Shell trat näher an die Tür, die die beiden voneinander trennte und begutachtete das Schloss. Dabei fiel Kit auf, dass Shell neue Kleider trug. Es waren einfache Sachen, die zusammengeklaubt waren, dennoch bedacht aufeinander abgestimmt. Jemand schien sich große Mühen gemacht zu haben, den Teenager neu einzukleiden und hat sich an den kleineren Größen der Frauenuniformen bedient. Kit versuchte dem nicht ganz so viel beizumessen, auch wenn es schwer war. Shell griff in seine Hosentasche und Kit konnte erkennen, dass er einen stiftartigen Gegenstand mit sich führte, bei dem es sich um einen Dietrich handelte, soviel war für Kit gewiss. Er staunte, dass der Junge es geschafft hatte in den Besitz eines solchen Werkzeuges zu kommen, andererseits erstaunte es ihn auch gar nicht.

„Ein Schloss, welches von jedem Schlüssel aufgesperrt werden kann, ist ein schlechtes Schloss, aber ein Schlüssel, welcher jedes Schloss öffnen kann ...", Shell zwinkerte Kit belustigt zu und hielt den Dietrich steil nach oben auf Höhe seines Hosenstalls. Kit wollte empört sein, doch konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Er wollte etwas erwidern, als plötzlich die Tür zu ihrer Kammer aufgerissen wurde. Dass sie keine Schritte gehört hatten, lag mit hoher Wahrscheinlichkeit daran, dass die Person in der Tür sich gezielt angeschlichen und sowohl Shell als auch Kit dort erwartet hatte. Der Junge schaltete blitzschnell. Sein bestimmter Blick verriet Kit, dass er mitspielen musste, ohne Fragen zu stellen. Shell ließ in einer fließenden Bewegung den Dietrich zurück in seine Hosentasche gleiten, griff durch das Gitter und führte Kits Hand in seinen Schritt, während er gleichzeitig seine Hose öffnete und vorn etwas herunterzog. Dies geschah so augenblicklich, dass es für den ungebetenen Gast so aussehen musste, als hätte er sie auf frischer Tat ertappt. Shell reagierte erschrocken und wich von der Zelle zurück, er beschleunigte seine Atmung und täuschte Verlegenheit vor, indem er seine Knie leicht nach innen drehte und sich eine Hand vor den Mund hielt. Der Schatten, der sich aus dem Türrahmen löste und näher kam, nahm die Gestalt von Heth an, der lässig auf Shell zu ging und ihn überrascht musterte. Von Kit nahm er zunächst keine Notiz.

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