Kapitel 18

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„Was verfickt nochmal war DAS denn?", Kit war außer sich.

Shell, der noch am Boden lag, zuckte mit der Schulter und richtete sich dann auf, als wäre er gerade von einem Mittagsschlaf erwacht.

„Ein Plan, der gut aufgegangen ist?", versuchte es Shell und zog unbekümmert seine gerissenen Hosen hoch. Er entdeckte Heths Hosen und bemächtigte sich, ohne zu zögern, des Gürtels, um seine Kleidung zusammenzuhalten.

„Das nennst du gut? Der Alte hatte dich fast so weit!", schnaubte Kit und haderte mit sich, ob er Heth nicht provisorisch noch eine mitgeben sollte.

„Das war ekelhaft! Bring mich, bei Gott, nie wieder in so eine Situation! Diese Bilder werde ich meines Lebens nicht mehr los", Kit rieb sich die Augen, als könnte dies das Geschehene ungesehen machen.

„Entspann dich mal, immerhin hat der alte Sack sich gerade an MIR gerieben und nicht an dir!"

„Ich musste es sehen!"

„Ich habe dich aus der Zelle geholt, sei gefälligst dankbar", rollte Shell mit den Augen, „außerdem hast du einen Ständer. Mal wieder. Sehe ich von hier."

„Was jetzt?", fragte Kit und sah sich um. Sie waren so tief im Bug des Schiffes, dass anscheinend keines ihrer Geräusche, was sie verursacht hatten, zu irgendjemanden hervorgedrungen war.

„Wir müssen von Bord. Wenn der Alte wieder zu sich kommt, sind wir tot. Wir besprechen den Plan unterwegs. Komm!", Shell zog Kit am Ärmel und führte ihn zu der Tür, als dieser Anstalten machte ihm direkt zu folgen und die Sache nicht erst einmal auszudiskutieren. Gemeinsam schlichen sie schnellen Schrittes hinaus auf den dunklen, engen Gang und bewegten sich gezielt zu den Treppen, die hoch führten. Derweil tuschelte Shell Kit zu, wie sie verfahren konnten.

„Wir bewegen uns unauffällig zu den Rettungsbooten und stehlen eins. Wichtig dabei ist, dass wir uns leise und unauffällig verhalten, wir kapern es und machen uns dann ohne großes Aufsehen zu erregen vom Acker. Wir würden unsere Chancen verbessern, gut und ungesehen wegzukommen, wenn wir für ein Ablenkungsmanöver sorgen würden", zischte der Junge und zog Kit gezielt mit sich durch die engen Gänge.

„Ich denke nicht, dass das so einfach funktionieren wird. Was passiert, wenn wir auf dem Meer sind? Wir haben keine Flucht geplant. Wir haben weder Nahrung noch Wasser vorbereitet. Wir sterben da draußen", gab Kit murmelnd zu bedenken, während er neben Shell her stolperte. Sie waren auf bestem Weg an Deck zu kommen und den schummrigen Innenbereich zu verlassen. Sie würden in Kürze wieder auf Menschen zu treffen, wenn sie sich aus dem Inneren des Schiffes stehlen würden.

„Wir haben keine Wahl, du möchtest nicht herausfinden, was passiert, wenn wir geschnappt werden. Wir sind hier keine willkommenen Gäste und offiziell nicht an Bord. Wenn wir hier verschwinden würden, würde niemand nachweisen können, dass wir überhaupt hier waren", erklärte Shell Kit mit Nachdruck.

„Was ist mit Charlotte und der Kleinen, mit den Listen? Sie wissen, dass wir hier sind!"

„Auch wenn du anscheinend großes Vertrauen in deine Ex hast, aber sie wurde von Heth angestellt und er hat ihr höchstwahrscheinlich Unmengen an Gold in Aussicht gestellt, um ihn auf der Expedition zu begleiten. Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass sie für uns Partei ergreifen würde. Ab jetzt ins Boot", sie waren an Deck und Shell gab seinem Tutor einen Schubser in Richtung der Rettungsboote.

„Was machst du?", zischte Kit nervös und winkte den Jungen zu sich ran, um ihm zu folgen.

„Du musst das Boot herunterlassen, ich stoße dazu. Erinnere dich an den Teil mit dem Ablenkungsmanöver!", raunte Shell ihm zu und lief los, quer über das Deck. Er verschwand wie eine schwarze Katze im Dunkeln und ließ Kit allein auf der schlecht ausgeleuchteten Heckseite des Schiffes stehen. Kit hätte fast seine Stimme erhoben, um ihm hinterher zu brüllen, doch erinnerte sich dann daran, was das für Konsequenzen haben könnte. Er hatte schon seinen Arm im Affekt gehoben und nahm diesen nun langsam wieder runter. Dieses Kind machte ihn wahnsinnig. Er haderte mit sich. Sollte er Shell hinterherlaufen oder tatsächlich das Boot für die Flucht vorbereiten? Kit hatte ein schlechtes Gefühl dabei den Jungen allein zu lassen, aber andererseits hatte Shell ihm oft genug bewiesen wie clever und geschickt er war. Seine Pläne waren meist viel besser durchdacht, als es den Anschein machte. Kit gab sich einen Ruck und wandte sich schließlich den Beibooten zu. Er wählte eines der Boote aus, dessen Inneres ihm nicht allzu vertraut war. Ihr ursprüngliches Versteck hatte sich als nicht allzu sicher herausgestellt und Kit wollte nicht ein zweites Mal aufs falsche Pferd setzen. Vorsichtig kletterte er über die Reling. Er gab sich große Mühe die Plane leise zu entfernen und den Flaschenzug ohne Knarzen zu bedienen, so dass das Boot sanft zu Wasser gelassen werden konnte. Kit wählte eine gute Höhe, die es Shell ermöglichte, ohne große Risiken einsteigen zu können und die ebenso dicht genug am Wasser war, dass sie sich schnell auf den Weg machen konnten, falls die Situation dies verlangen würde. Kit korrigierte die Höhe mehrmals penibel und als er zufrieden war, wartete er. Es verstrichen mehrere Minuten und Kit kam es vor wie eine Ewigkeit. Als er schon kurz davor war, das komplette Boot wieder hochzuziehen und sich auf die Suche nach Shell zu machen, ertönte ein Knall. Ein heftiger Ruck schüttelte das Beiboot so sehr, dass Kit fast das Seil des Flaschenzuges losließ und stürzte. Erschrocken sah er in den Nachthimmel, der sich zunächst verfinsterte. Kit blinzelte und er bildete sich ein erst das Knacken und Knistern gehört zu haben und dann erst kam ein leicht gelblicher Schein am Himmel dazu. Er brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass es an Deck brannte. Fluchend wirbelte er herum und zog mit allen Kräften, die er mobilisieren konnte, am Seil, um das Rettungsboot wieder nach oben an die Reling zu befördern. Kit hatte damit gerechnet, Shell vielleicht vor dem Ertrinken retten zu müssen, aber ihn aus einem Feuer zu angeln, schien ihm bis vor einem Moment noch ein eher abstraktes Szenario gewesen zu sein. So konnte man sich täuschen. Auch wenn der Plan vorgesehen hatte, dass Kit sich nahe dem Wasser mit dem Boot bereithielt, konnte er nicht darauf vertrauen, dass Shell dieses Mal auch mehr Glück als Verstand hatte. Kit musste zurück an Deck und nachsehen, ob Shell Hilfe brauchte. Nachdem er, allem Anschein nach, ein Feuer gelegt hat und auf der Flucht war. Oder zumindest bis vor einem Moment gewesen war und dann geschnappt wurde. Es hätte alles Mögliche passieren können. Oben wieder angekommen hechtete Kit über die Brüstung der Reling und stolperte ein paar wenige Schritte in Richtung der lodernden Flammen, als sich plötzlich eine Silhouette vor ihm im Schein der Flammen aufbaute. Abrupt hielt er inne. Das Hauptsegel hatte Feuer gefangen und erhellte nahezu das komplette Deck des Schiffes. Die Luft war erfüllt von dichtem Qualm, der in den Augen biss und lautem Rufen und Brüllen der Matrosen, die sich bemühten, das Feuer einzudämmen. Man konnte schnell erkennen, dass unter Deck wohl eine kleine Explosion stattgefunden hatte, und sich von dort der Brandherd auf das Segel ausgebreitet hatte, doch Kit hatte keine Chance, sich mit der Brandsituation auf dem Schiff weiter auseinanderzusetzen. Die schwarze Gestalt, die sich vor ihm aus dem Nichts aufgebaut hatte, griff pfeilschnell nach seinem Kragen und riss Kit zu sich heran. Er hatte mit einem der Männer gerechnet, mit denen er in die Schlägerei verwickelt gewesen war. Vielleicht auch mit jemandem, der ihn als blinden Passagier entdeckt hatte. Wenn es ganz schlimm kommen sollte, dann hatte Kurt Heth ihn erwischt und würde ihm für das Niederschlagen die passende Quittung ausstellen. Doch tatsächlich kam es noch viel schlimmer. Die zur Faust geballten Hand gehörte zu einem sehnigen Arm, der in einem hochgekrempelten Leinenhemd steckte und zu einer Frau gehörte, deren Blick unmissverständlich klarmachte, dass sie nicht zum Spaßen aufgelegt war.

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