Kapitel 25

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„Woher hattest du die Signalpistole? Das frag' ich mich immer noch. Und warum kam da roter Nebel raus?", fragte Kit zaghaft. Sie waren schon seit einigen Stunden auf den Beinen. Hungrig waren sie zu Bett gegangen, nachdem sie alle Fische bei dem Zwischenfall verloren hatten und ebenso hungrig erwachten sie am Morgen. Kit fragte sich, ob seine Gliederschmerzen einfach schon Teil seiner täglichen Verfassung geworden waren und ihn fortan auf ewig begleiten würden. Ihr Nachtlager hatten sie in den frühen Tagesstunden verlassen, es gab nichts mehr, was sie besaßen, was sich nicht an ihren Körpern befand. Das waren geringe Wasservorräte, ein Messer und offensichtlich ein Signalfeuer mit Patronen.

„Ich habe sie selbst gebaut. Sie verschießt ein Pulver aus Maisstärke. Es ist als Signal manchmal sinnvoller als ein Feuer, was den Wald gefährden könnte. Das Pulver lässt sich gut einfärben und hält sich lange in der Luft. Jetzt meine Frage: warum hast du nicht versucht dich zu verteidigen?", Shell zog die Augenbrauen hoch und sah Kit auffordernd an.

„Nun, ich dachte, du bist tot, also war ich mir nicht sicher, was es für einen Sinn machen würde, allein im Urwald zurückzubleiben, ohne Chance auf einen Weg nach Hause", Kit zuckte mit den Schultern.

„Für gewöhnlich hat jeder Mensch einen lebenserhaltenden Trieb. Dieser ist keine aktive Entscheidung, die man logisch treffen muss. Was also unterbindet deinen Willen zu leben?"

Der Anstieg am Berg war angenehm, es gab einen Trampelpfad, der anscheinend gut genutzt wurde. Er war an manchen schmaleren Stellen ausgebaut worden und bot die Möglichkeit kleine Wägen den Berg auf den Serpentinen ähnlichen Wegen zu ziehen. Es war eine simple Wanderung und Kit war sich sicher, dass er einen Weg mit mehr Schwierigkeiten nicht hätte beschreiten können. Dafür war er zu ausgezehrt.

„Ich bin mir nicht sicher, wovon du sprichst. Es war eine logische Entscheidung. Ich habe keinen Sinn darin gesehen, hier allein zu verbleiben."

„Gibt es keine Ziele in deinem Leben, die du verfolgst? Irgendetwas, was du erreichen willst? Es muss doch etwas geben, für das du jeden Morgen aufstehst. Sonst könnte man das Ganze doch hier direkt beenden, oder nicht? Du hast diesen schrecklichen Job angenommen, auf mich aufzupassen? Wofür?", Shell schien sichtlich verwirrt.

„Ich habe den Job angenommen, um nicht aus meiner Wohnung zu fliegen und das Studium an der Akademie machen zu können. Und um Tante Gerdi zu beweisen, dass ich einen Sinn erfülle und etwas im Leben erreichen kann, auch wenn das wahrscheinlich nur mein eigenes Geld verdienen wäre", überlegte Kit laut.

Shell blieb plötzlich stehen.

„Dafür stehst du auf? Um arbeiten zu gehen und leben zu können? Wozu? Du brennst nicht für die Musik und auch nicht für das Theater. Du hasst es nicht, aber du machst es auch nicht, weil es dich erfüllt. Ich denke, du studierst Musik, weil du es einfach angefangen hast, und du denkst, es wäre deine Pflicht es weiterzumachen", warf er Kit vor. Kit überlegte auch stehe zu bleiben, aber entschied sich dann dagegen. Er lief weiter.

„Das mag dir vielleicht lächerlich vorkommen, aber ich erachte das für ausreichend. Nicht jeder hat reiche Eltern, die einem das Leben, welches man sich wünscht, finanzieren können. Du musst niemals arbeiten, wenn du das nicht willst. Du kannst durch jeden Busch kriechen, wenn es dir danach beliebt. Ich weiß auch gar nicht, warum ich dir grundlegende Schulbildung beibringen soll? Macht es einen Unterschied? Du musst nicht um einen Arbeitsplatz kämpfen. Du könntest dein Leben lang einfach nichts tun, so viel Wein trinken, wie du willst, so viel essen, wie du willst und so viel Sex haben, wie du willst. Du musst dir um nichts Sorgen machen. Shell Montgomery kann all das haben, trotz schrecklichem Charakter und schiefem Pony", schnaufte Kit wütend. Shell nahm die Wanderung wieder auf und holte Kit mit schnellen Schritten ein. Sie hatte schon eine beachtliche Höhe erreicht und die Abhänge wurden immer steiler. Durch ihr intensives Gespräch achteten sie nicht auf die stark abfallende Felswand zu ihrer Rechten.

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