Kapitel 34

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Jemand drückte Kits Kopf auf den Boden und zwei starke Arme hielten ihm die Hände auf den Rücken. Seine Beine wurden grob auseinandergebogen und jemand anderes riss am Bund seiner Hose. Kit war durch die Einwirkung der Schläge noch benommen und orientierungslos und konnte nicht zuordnen, in was für einer Situation er sich befand. Durch die Schmerzen waren seine Nerven wie betäubt, sodass er erst die Bedrohung bemerkte, als sich kaltes Metall gegen seine entblößte Öffnung drückte. Ein lautes Klacken ertönte und daraufhin folgte aufgeregtes Tuscheln und Kichern. Die Information, dass eine Waffe entsichert wurde und diese sich gegen sein Rektum drückte, sickerte nur langsam in Kits Bewusstsein. Er wollte sich aufrappeln und sich der Gefahr entziehen, doch sein Körper wurde fest an Ort und Stelle gehalten. Er wand sich so gut er konnte, seine Muskulatur zuckte vereinzelt aus Reflex und ein gepresstes Stöhnen entwich seinen Lippen, doch es half alles nichts. Dumpfes Lachen drang zu ihm durch, doch das Rauschen in seinen Ohren wurde lauter und sein Kreislauf brach letztendlich weg, ehe er herausfinden konnte, was sie mit ihm vorhatten.

Als Kit wieder zu sich kam, konnte nicht viel Zeit vergangen sein. Zu seiner Überraschung war er sauber und gekleidet, und die Blessuren waren zwar bislang nicht allzu alt, ließen sich aber aushalten. Vorsichtig setzte er sich auf.

„Du bist wieder fit?", fragte eine bekannte Stimme mit hartem Akzent. Ein großer blonder Mann mit Bart kam um die Ecke. Es war Sven. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt und ein Handtuch über der Schulter liegen.

„Ich denke, ich bin okay", war Kits vage Antwort darauf, er sah verlegen zur Seite.

„Tut mir leid, dass ich nicht früher da war, ich hätte bestimmt helfen können", Sven zuckte entschuldigend mit den Schultern.

„Ich bin in Ordnung, so komisch das auch klingt", versuchte Kit seine Lage so wage wie möglich klarzustellen.

„Du kannst gut was wegstecken, was?", war Svens ebenso vage Antwort darauf, doch Kit hatte das Gefühl, dass er es irgendwie verstand.

„Du hast mich gewaschen, danke."

„Keine Ursache. Du sahst ziemlich fertig aus. Hätte mir schönere Umstände ausmalen können, dich nackt zu sehen, wenn du verstehst, was ich meine."

„Unverhofft kommt oft. Reizvoller Gedankengang."

„Höre ich da Interesse heraus?"

„Ich weiß nicht, ob diese Frage so leicht zu beantworten ist", gestand Kit. Er vermied es, seinem Körper die Aufmerksamkeit zu schenken, die er hätte gebrauchen können. Er hatte keine Zeit, sich damit zu befassen, was ihm womöglich widerfahren war, oder auch nicht. Die Blessuren durch die Schläge und Tritte kaschierten alles Weitere zu gut.

„Das ist in Ordnung, Junge. Ich habe, keine genaue Antwort erwartet. Du erinnerst mich nur an meinen Jungen zu Hause. Er hat auch ein nettes Gesicht, aber interessiert sich für die derberen Sachen, wenn du verstehst", Sven zwinkert ihm zu und Kit verstand, dass er damit nicht seinen Sohn gemeint hatte.

„Ich will nicht unhöflich sein, aber ich muss jemanden finden und ich denke, er ist bei Sir Heth. Was denkst du, wo er sich zurzeit aufhält?", fragte Kit. Bedacht, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.

„Nun, ich weiß nicht, ob du die Frage wirklich stellen musst, denn es ist 18 Uhr und Sir Heth hatte für diese Uhrzeit eine Ansprache angekündigt, beim Tempel. Ich denke, ich kann dich unter dem Vorwand, dich in Gewahrsam zu haben, hinbringen. Dafür müsste ich dir aber wahrscheinlich die Hände verbinden", machte Sven den Vorschlag. Er willigte ein. Sven verschnürte seine Handgelenke sachkundig und brachte Kit zu dem Ort des Geschehens. Die Söldner, welche sich zuvor noch mit Kit vergnügt hatten, waren nicht mehr in Sichtweite und Sven hatte keine Schwierigkeiten, ihn an Kontrollpunkten vorbei zu begleiten, indem er etwas grober mit ihm umging. Der Tempel war deutlich kleiner als der in den Bergen, doch er hatte auch etwas Bedrohlicheres an sich. Vielleicht lag es daran, dass Kit wusste, dass von nicht allzu langer Zeit dort noch aufgeschlitzte Menschenopfer hinuntergestoßen worden. Heth stand oben direkt am Opferaltar, in seiner Begleitung war Shell. Die Crew stand auf den Stufen und bildete in der Mitte eine Gasse. Sven versuchte sie so dich an das Geschehen heranzuführen, wie möglich, ohne groß Aufmerksamkeit auf sich und Kit zu ziehen. Heth hatte seine Rede bereits angefangen, und Kit gab sein Bestes, folgen zu können.

„...Und ich wiederhole erneut, dass die Waffen hier für unsere aller Sicherheit sind. Wir sind mit einer großen Crew hierhergekommen, um möglichst effizient und umweltschonend arbeiten zu können. Niemand soll sich an uns stören und wir werden uns auch nicht an fremdem Eigentum bereichern, sondern nur das mit nach England überführen, was die Natur uns hier zur freien Verfügung stellt. Der Fortschritt ist auf unseren Seiten und sieht es vor, dass wir als wohlhabende Europäer zurückkommen. Miss Smith wird die Förderung von wertvollen Smaragden betreuen und den Abbau von Gold. Bei weiteren Fragen können Sie sich direkt an sie wenden", verkündete er vielversprechend. Kit rollte mit den Augen. Das Versprechen konnte er sich sonst wo hinstecken, zumal die Einheimischen seine Ansprache nicht einmal verstanden. Kit konnte von seiner Position aus sehen, wie Shell sich versteifte und die Fäuste ballte. Er trug seine traditionelle Kleidung, doch sie war etwas anders, als Kit sich an sie erinnern konnte. Die Arme waren mit Reifen und Federn geschmückt, ebenso der Hals. Doch abgesehen von dem Bastrock, den Kit von Fran und ihrem Bruder kannte und der nichts verhüllte, war Shell fast nackt. Von seinem Stolz und seiner Unbeschwertheit war nichts mehr über und neben Heth in seinem Anzug wirkte Shell so entblößt falsch am Platz. Er sah aus wie eine Trophäe oder ein exotisches Spielzeug. Nachdem Kit sich mehr oder weniger daran gewöhnt hatte, dass der Junge es bevorzugte nackt zu sein, machte der Anblick ihn doch wieder nervös. Der Umstand, unbekleidet unter Nackten zu sein, war ein anderer als unbekleidet zwischen angezogenen Leuten zu stehen.

„Wir sind gewillt, Respekt zu zeigen und uns den Bräuchen und Riten als gute Gäste anzupassen. Mein guter Junge, Henry hier, ist der Sohn von Abraham Montgomery, dem Kopf von der Montgomery Handelsgesellschaft, hat sich bereit erklärt, es zu seiner Aufgabe zu machen, unsere verschiedenen Kulturen zu vereinen, indem er das Bindeglied zwischen unseren zwei Gesellschaften darstellt. In diesem übertragenen Sinn werden wir uns einem traditionellen, vielleicht etwas befremdlichen, Ritual widmen, um den Segen der Wilden und den ihrer Götter zu erhalten und um hier in Ruhe arbeiten zu können", er legte einen Arm um die Schulter von Shell und drückte ihr kräftig, ehe er ihn grob auf den Opferaltar stieß.

„Das ist nicht sein Ernst", knurrte Kit und wollte schon losstürzen, doch Sven hielt ihn noch einen Moment zurück.

„Warte, du weißt nicht, was er vorhat", ermahnte der Norweger ihn. Kit wartete in der Tat ab, doch er konnte sich nur zwei Szenarios vorstellen und beide waren nicht allzu rosig. In der einen zückte er ein Messer und in der anderen öffnete er seinen Hosenschlitz. Natürlich war es das Zweite und es überraschte Kit überhaupt nicht. In dem Moment, wo Kurt Shell unter Protest auf den Rücken drehte, und versuchte seine Beine auseinanderzubiegen, riss Kit sich von Sven los und drängte sich an den Zuschauern vorbei, die Stufen hoch, in die Richtung des Podestes. Dass ihm die Hände dabei verbunden waren und er womöglich komplett kampfunfähig war, war Kit dabei egal. Er würde nicht einfach dastehen und zusehen, wie Heth versuchte, Shell unter Zwang in aller Öffentlichkeit zur Schau zu stellen und zu benutzen wie ein Spielzeug. Doch der Weg nach oben war versperrt von Hunderten von Leuten und Kit fand weder Gehör noch machten ihn jemand Platz, alle waren fasziniert von dem Schauspiel, was sich vor ihnen abspielte. Er musste auf die Schneise ausweichen, um vorwärtszukommen, doch damit präsentierte er sich selbst frühzeitig und wenn er Pech hatte, würde er aufgehalten werden, noch ehe er am Ende des Weges ankam. Doch Kit hatte keine andere Wahl. Niemand aus der Zuschauermenge war in der Lage, ihn zu stoppen. Doch als er die letzte Stufe überwunden hatte, war Kurt Heth bereits auf Kits eintreffen vorbereitet. Für einen Moment hielten beide inne und sahen sich tief in die Augen. In dem Moment, wo Kit nach vorn stürzte, um Heth zu Boden zu reißen, zückte dieser ein Messer. Er versenkte es in Kits Brust. Für den Bruchteil einer Sekunde sahen Shell und Kit sich in die Augen. Unabhängig voneinander formten sie beide mit ihren Lippen eine Entschuldigung, ehe Heth das Messer zurückriss und Kit die Stufen hinunterstieß. Ihm erschien es so, als würde er in Zeitlupe fallen. Das Blut spitzte ebenso langsam aus seiner Brust, so wie er fiel. Er prallte mehrmals grob auf den Stufen auf und rollte noch einige Meter weiter ins Gras von dem Tempel. Die Götter konnten sich glücklich schätzen, Kit machte sich hervorragend als Menschenopfer, die Spur, die er an Blut hinterließ, war beeindruckend.

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