Täter-Opfer-Umkehr

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Am Freitag bekam Henning während der Frühschicht einen Anruf auf sein Handy. Eigentlich trug er sein Privathandy nur bei sich, damit er für Marion stets erreichbar war. Er wusste das es ihr aktuell nicht gut ging und die bevorstehende Gerichtsverhandlung ihr schwer zu schaffen machte. Doch die Nummer die ihn anrief kam zwar aus Köln, war ihm aber nicht weiter bekannt. Da er aber gerade eh mit Tom zusammen eine Pause machte, ging er an sein Handy und meldete sich. Ein junger Mann erklärte ihm, das er Kriminalpolizist sei und bat Henning am Montag Mittag zur Zeugenaussage in das Kölner Polizeipräsidium zu kommen. Es hatte Henning schon gewundert warum man ihn bisher nicht eingeladen hatte, obwohl er doch beim letzten nächtlichen Einbruch und Angriff von Marions Exmann Zeuge gewesen war. Er schrieb sich die Uhrzeit auf, an der er im Polizeipräsidium sein sollte und sagte den Termin zu. Da er am Montag Nachtschicht hatte, passte der Termin für ihn und er hoffte dass seine Aussage die anscheinend zweifelnden Polizeikollegen überzeugen konnte. Kurz überlegte er, ob es ratsam war Marions Anwalt Herr Neundorf anzurufen. Vielleicht war es doch besser wenn Herr Neundorf bei der Aussage dabei war, falls auch seine Aussage derart in die falsche Richtung laufen würde wie die von Marion. Doch da sie zu einem neuen Einsatz ausrücken mussten,  verschob er diesen Gedanken erst einmal. Was natürlich dazu führte das er vergas den Anwalt anzurufen und am Montag alleine vor dem großen Polizeipräsidium stand. Da er die Treppe nicht direkt finden konnte nahm er den Aufzug in den dritten Stock, indem das Dezernat für Sexualverbrechen saß. Als er an die Bürotür von Raum 03.08 anklopfte, wurde er direkt von einer recht genervt klingenden Stimme hereingebeten.
Ein recht beleibter Mann um die fünfzig saß zurückgelehnt auf seinem Bürostuhl und sah Henning gelangweilt an.

"Ach Herr Groth nehm ich an. Pünktlichkeit war doch in unseren Alter eigentlich noch in der Erziehung mit drinnen?"

Fragte er mit einem recht überheblichen und auf Anhieb unsympathischen Ton. Verwundert sah Henning auf seine Armbanduhr, wie geplant war er zehn Minuten vor dem Termin hier und damit überpünktlich. Kurz wollte er diese Feststellung auch laut äußern um sich zu verteidigen, doch dann besann er sich eines besseren. Dieser Mann schien es darauf anzulegen Henning direkt in eine defensive Haltung zu drängen, um im Gespräch von Anfang an die Oberhand behalten zu können. Henning hatte genügend Erfahrung im Polizeidienst um zu wissen, dass dies eine beliebte Verhörmethode war, um gestresste und eh schon unter psychischer Anspannung stehender Verdächtige zum Reden zu bringen.

"Mit wem habe ich die Ehre?"

Fragte er daher einfach und betrat den Raum. Als er die Tür hinter sich schließen wollte, sprach der unsympathische Kommissar ihn wieder an.

"Lassen sie ruhig auf. Unser Gespräch wird nicht hier stattfinden."

Das Wort Gespräch, betonte der Polizeibeamte besonders auffällig, sodass direkt klar wurde das es sich nicht um ein nettes Gespräch handeln würde. Vorstellen tat der Mann sich aber trotz Hennings Frage nicht. Stattdessen stand er auf und ging zu Henning herüber.

"Die Tür recht am Ende des Ganges."

Meinte er und wies ihn mit einer Handbewegung an vor zu gehen. Tatsächlich lotste er Henning so zu einem der Verhörzimmer des Polizeipräsidiums, was das eh schon negative Gefühl in ihm weiter verstärkte. Kein Wunder das Marion nach ihrer Aussage mit den Nerven völlig am Ende war. Ein Opfer oder mögliche Zeugen vernahm man normalerweise im Büro um sie nicht noch weiter aufzuwühlen. Der unfreundliche Polizeikommissar der Marion Fall untersuchte, behandelte Henning allerdings eher so als wäre er der Verdächtige in diesem Fall. Als Henning auf dem weißen Kunststoffstuhl mit Metallfüßen platz nahm, betrat ein weiterer deutlich jüngerer Mann den Raum.

"Entschuldigung ich musste noch ein Telefonat führen. Anscheinend hat Frau Fröhlich sich einen Anwalt genommen, der einige Fragen an uns hat. Er wird im Anschluss an dieser Termin zu uns ins Büro kommen."

Schicksalhafte BegegnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt