Arbeitsfamilie

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Schon am ersten Tag nachdem er Klaus mitgeteilt hatte das er sich über einen Besuch der Kollegen freuen würde, kam Tom in sein Zimmer. Hennings Augen hatten sich zwar nur soweit erholt, das er Personen stark verschwommen wahrnahm, es reichte aber um den großen Tschechen mit dem dichten Bart zu erkennen.

„Hey, Klaus hat mir erzählt das du Besuch empfangen kannst. Daher wollte ich mal nach dir sehen."

Erklärte Tom und kam zu Hennings Bett herüber. Henning schenkte ihm ein Lächeln, das aufgrund seiner Verletzungen und der dicken Nasenschiene sicherlich eher erschreckend aussah.

„Kannst du dich an die Nachtschicht erinnern?"

Fragte Tom interessiert nach. Henning schüttelte den Kopf.

„Nein die ganze Woche fehlt mir. Aber ich bin schon sehr froh das ich mich zwischenzeitig wieder an mein ganzes Leben erinnern konnte. Als ich aufgewacht bin, hätte ich schwören können wir haben das Jahr 1999."

„Nicht echt?"

Man hörte Tom das Entsetzen an.

„Das ist ja fast dein halbes Leben was du nicht mehr im Gedächtnis hattest. Krass."

Eine Zeit lang herrschte schweigen zwischen ihnen, bevor Tom den Gesprächsfaden wieder aufnahm.

„Also mir fehlt nur der Angriff und die Stunde davor. Das liegt wohl an einer deftigen Gehirnerschütterung sagen die Ärzte. Ich hatte eigentlich die Hoffnung du kannst dich erinnern, auch um die lästigen Fragen der Kriminalpolizei endlich beantworten zu können."

„Was für Fragen hat die Kripo denn?"

Fragte Henning mit einem ziemlich schlechten Bauchgefühl nach. Immerhin hatten die zwei Kripobeamten, die eigentlich gegen Marions Exmann ermitteln sollten, schon irgendwelche abstrusen Vorwürfe gegen ihn aufgetischt.

„Naja ... ähm ich weiß nicht ob es dir schon jemand erzählt hat? Also einer der Angreifer ist in der Nacht noch vor Ort gestorben. Entsprechend wird gegen uns wegen Totschlag ermittelt. Natürlich war es Notwehr und die beiden Anwälte die Klaus für uns besorgt hat, sind sich sicher das es keine Anklage geben wird. Aber da es ja immer wieder Berichte wegen Polizeigewalt gibt, will man die Ermittlungen nicht frühzeitig einstellen und damit einen Shitstorm der Öffentlichkeit provozieren. Wir sollen uns aber keine Sorgen machen, die Anwälte übernehmen erstmal alles für uns bis wir wieder richtig fit sind. Das wird bei dir ja leider noch etwas dauern oder?"

Niedergeschlagen über diese neuen schlechten Nachrichten nickte Henning stumm. Er hatte nicht gewusst das es einen Toten in dieser Nacht gegeben hatte. War er derjenige gewesen der diesen Mann umgebracht hatte? War es wirklich Notwehr gewesen? Auch wenn diese Personen sie angegriffen und beide Polizisten schwer verletzt hatten, machte der Tod des unbekannten Mannes ihm zu schaffen.

„Komm zerbrich dir bitte nicht den Kopf. Sicher hat Klaus dir deshalb auch nichts davon erzählt. Die hatten nicht vor uns am Leben zu lassen Henning. Wer auch immer von uns beiden diesen Mann einen tödlichen Schlag gegen den Kopf versetzt hat, hat damit womöglich unser beiden Leben gerettet."

Tom hörte sich ziemlich überzeugend an und Henning versuchte die dunklen Gedanken erst einmal beiseite zu schieben. Sie unterhielten sich noch ein wenig und er erfuhr das Tom wegen eines Bruchs in der Schulter noch einige Tage ausfallen würde.

„Ich habe Klaus aber überzeugt das ich nächste Woche zumindest im Innendienst wieder durchstarten kann. Sonst fällt mir echt die Decke auf dem Kopf. Zwar habe ich jetzt eine eigene Wohnung und besetze nichtmehr Muris Gästezimmer, aber nachdem das Kartons auspacken und das aufräumen durch war ist es ohne Arbeit extrem langweilig. Zum Glück ist die Wache jetzt derart unterbesetzt, das Klaus gar nicht mehr ablehnen konnte. Muri und Hannah sind ja auch fest im Innendienst da sie noch nicht wieder fit bin. Da reihe ich mich also jetzt erstmal in die Invalidengruppe ein."

Schicksalhafte BegegnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt