Guter Rat ist nicht immer teuer

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Am Samstagmorgen war Henning noch vor dem Frühstück aufgebrochen, da er sich ab acht Uhr morgens um seine Nachbarskinder kümmern musste. Er entschuldigte sich gefühlte tausend mal bei Marion, das er so überstürzt aufbrechen und ihr Angebot zum Frühstück ablehnen musste. Doch die fand es überhaupt nicht schlimm, so hatte sie wenigstens vor ihrer Spätschicht noch ein wenig Luft und konnte in Ruhe einkaufen gehen. Auch der Haushalt musste dringend mal wieder auf Vordermann gebracht werden, da sie durch einige Doppelschichten in den letzten Tagen zu nichts gekommen war.
Lee war nach der wirklich schrecklichen Sylvesterschicht nicht wieder zur Arbeit gekommen. Marion hatte von Oliver erfahren das sie sich eine dicke Lungenentzündung eingefangen hatte, was ganz sicher daran lag das sie an Sylvester in den kalten Rhein gestoßen wurde. Das dann auch noch der unsympathische Doktor Claas sie gezwungen hatte, die dicke Notarztjacke abzulegen, hatte ganz sicher sein Übriges getan. Am liebsten hätte Marion dem unsympathischen Arzt gehörig den Marsch geblasen, doch zum Glück hatte Doktor Claas die nächsten Wochen keinen Dienst mehr auf der Wache Süd. Ansonsten hätten Marion wohl sicherlich wieder ein unangenehmes Gespräch mit Udo vor sich gehabt, den Claas hätte sich ganz bestimmt sofort über sie beschwert.
Franco, Ralf und sie hatten die Tage ohne Lee durch einige Doppelschichten hinbekommen. Zum Glück war nun Jacky wieder da und die meisten Kollegen die über den Jahreswechsel Urlaub gehabt hatten, waren wieder im Dienst. Daher würde die kommende Woche ganz sicher entspannter für Marion werden.

Gut gelaunt machte sie sich nach einem schnellen Mittagessen auf den Weg zur Spätschicht. Entsprechend beschwingt löste sie Katrin auf dem RTW 1/23 ab und begab sich direkt in die Fahrzeughalle, um den Wagen einsatzbereit zu machen.
Ihre Gedanken waren noch bei dem tollen Abend den sie mit Henning wirklich sehr genossen hatte. Wie er reagiert hatte, als sie eher aus Pflichtgefühl als aus Lust angefangen hatte ihn zu entkleiden, hatte sie wirklich überrascht. Sie war es gewöhnt das die Männer vor allen erwarteten, das sie beim zweiten oder dritten Date mit ihnen schlief. Zumeist meldeten sie sich anschließend nicht mehr bei ihr, was sicherlich daran lag das Marion eher ein Brett im Bett war. Zumindest hatte Gunna, ihr Ex-Mann das immer behauptet. Er hatte ihr oft gesagt sie sei nicht nur alt und hässlich geworden, sondern auch noch derart schlecht im Bett, dass sie froh sein konnte wenn er sich noch mit ihr vergnügte.
Die Gedanken an ihren Ex versuchte Marion schnell wieder zu verdrängen, schließlich würde das ihre gute Laune nur wieder kaputt machen. Henning schien ganz anders zu sein als die meisten Männer oder als Gunna. Er war einfühlsam und rücksichtsvoll. In seinen Armen fühlte Marion sich irgendwie sicher und geborgen.
Wobei das bei Gunna doch am Anfang nicht anders gewesen war oder? Schließlich hätte sie ihn sonst nicht geheiratet.
Zweifel machten sich in Marion breit. Verliebte sie sich gerade in Henning, obwohl sie doch gar nicht wusste auf was sie sich einließ? Sie hatte sich geschworen keinen Mann mehr zu lieben und nie wieder in eine solche Abhängigkeit zu rutschen, wie es bei Gunna der Fall gewesen war. Doch nun hatte ihr Herz sich einfach selbstständig gemacht und jedesmal wenn sie an Henning dachte, kribbelte es verdächtig in ihr. Das hob ihre Laune zwar auf der einen Seite, da es ein tolles Gefühl war mal wieder so richtig verliebt zu sein. Auf der anderen Seite machte es ihr unglaublich viel Angst. Wahrscheinlich würde sie auch mit diesem Mann wieder mit einem dumpfen Knall, zurück auf den Boden der Tatsachen landen. Vor diesem Moment hatte sie Angst, genau wie vor der Mischung aus Herzschmerz und Verlust, die sich dabei breit machen würde. Sie war einfach zu oft enttäuscht worden, was sicher auch daran lag das sie kaum in der Lage war eine ordentliche Beziehung zu führen. Dafür hatte Gunna zu viel zerstört und sie emotional zu einem Krüppel gemacht, den eh kein anderer lieben konnte. Auch Henning würde das sicher sehr bald merken und seine aktuell vorgebrachte Geduld und die einfühlsame Art, würde sicher auch nicht sehr lange halten.

Während sie so dadrüber nachgedacht hatte, hatte sie den RTW fertig kontrolliert und dabei das fröhliche Pfeifen von Ralf ignoriert, der ihr nun mit einer Hand vor dem Gesicht rumfuchtelte.

Schicksalhafte BegegnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt