Reglos saß Marion auf den unbequemen Kunststoffstuhl vor dem Wartebereich des OPs. Noch vor einigen Stunden hatte sie vor der Nachtschicht ihre Sachen zusammengepackt. Sie war verdammt sauer und enttäuscht gewesen. Als sie früher als geplant von der Arbeit nach Hause gekommen war und Henning mit seiner Exfreundin vor der Haustür entdeckt hatte, war ihr erst einmal das Herz in die Hose gerutscht. Sie hatte versucht ihm zu glauben als er ihr versichert hatte, das er ihr auf keinen Fall fremdgegangen wäre. Doch die Situation war einfach viel zu merkwürdig gewesen. Henning war deutlich stärker und ein Kopf größer als seine Ex, warum hatte er sie nicht einfach von sich geschupst? Wobei sie jetzt im Nachhinein zugeben musste, das sie verstand warum er sich nicht körperlich gegen diese Frau gewehrt hatte. Immerhin hatte diese Svenja ihn bereits einmal vor der Polizei wegen angeblicher häuslicher Gewalt verleugnet. So wie Henning dort gestanden hatte, sehr bemüht Svenja nicht zu berühren und sie gleichzeitig von sich zu halten, war durchaus zu bemerken gewesen, das er diese Begegnung nicht wollte. Aber Marion war viel zu aufgebracht gewesen, um sich diese Tatsache vorher einzugestehen. Sie war enttäuscht und verletzt ins Bett gegangen, schließlich musste sie etwas schlafen um die ungeplante Nachtschicht durchzuhalten. Als sie nach einigen Stunden wieder wach wurde, wollte sie eigentlich noch einmal mit Henning reden. Aber der war fort gewesen, laut eines kurzen Zettels hatte er früher zur Arbeit gemusst. Eine Tatsache die sie dann doch wieder nicht hatte glauben können. Sie war sauer auf ihn gewesen, sie hatten seit Tagen nicht mehr miteinander geredet. Henning hatte ihr nicht einmal von seiner Aussage bei der Kripo berichtet. Erst durch ihren Anwalt Herr Neundorf hatte Marion erfahren, das Hennings Aussage sogar noch mehr aus dem Ruder gelaufen war als Marions. Die Vorwürfe die gegen Henning und sie vorgebracht worden waren, hatten sie sehr überrascht. Das Henning es nicht einmal für nötig gehalten hatte, sie wenigstens per SMS über alles zu unterrichten, hatte sie schon vor dem Vorfall mit seiner Ex ziemlich wütend gemacht. Svenja war daher nur der letzte Tropfen in das Fass gewesen, das Marion zum überkochen gebracht hatte.
Doch nun saß sie auf dem sterilen weißen Flur der Uni Klinik und hoffe das sie überhaupt noch einmal die Chance haben würde mit Henning zu reden. Sie machte sie Vorwürfe. Immerhin hatten sie sich doch gegenseitig versprochen, bei Ungereimten direkt miteinander zu reden und nicht erst alles in sich hineinzufressen. Das sie ihn gestern stehen gelassen hatte und ins Bett gegangen war, entsprach ganz klar nicht diesem Versprechen. Sie wussten beide gut genug durch ihre Arbeit, das man womöglich niemals eine zweite Chance bekam, sich mit jemanden auszusprechen wenn man erst im Streit auseinander gegangen war. Genau das war nun passiert und diese Erkenntnis lastete schwer auf Marion. Als sie mit Franco zu einem Einsatz in ein verlassenes Industriegebiet gerufen worden waren, hatte sie noch nicht geahnt was ein Schrecken sie beide dort erwartete. Franco hatte gut gelaunt einen italienischen Song im Radio mitgeträllert und Marion über seinen schiefen Gesang gelacht. Als sie dann noch auf der Anfahrt erfahren hatten, das die Besatzung des Streifenwagens die sie angefordert hatte, einen stillen Alarm über ihre Funkgeräte abgegeben hatte, war die gute Laune sofort verflogen gewesen. Sie hatten warten müssen, bis zwei weitere Streifenwagen vor Ort waren um die Lage zu sichern. Erst dann hatten sie die letzten Meter bis zum Einsatzort gewagt. Als Marion erkannt hatte, das es sich bei der Streifenwagenbesatzung um Henning und Tom handelte, war ihr Herz sofort schwer geworden. Zumindest war Henning bei Bewusstsein gewesen und hatte ihr mit einem Winken zu verstehen gegeben, dass bei ihm alles okay sei. Ein Trugschluss wie sich später ergab, doch es hatte ihr sehr geholfen sich stattdessen auf die Reanimation eines jungen Mannes zu konzentrieren, der einer der Angreifer auf die beiden Polizisten gewesen war. Sie hatten den Mann letztendlich nicht retten können, was Marion allerdings deutlich weniger interessierte als es eigentlich sollte. Sie wusste das diese Gruppe junger Männer bereits mehre Polizeibeamten angegriffen, schwer verletzt und sogar einige getötet hatte. Aus diesem Grund empfand sie kein Mitleid für den verstorbenen jungen Mann. Als sie gesehen hatte wie besorgt Oli sich um Henning gekümmert hatte, als die Verstärkung mit drei RTWs und zwei NEFs eingetroffen war und Oli als Notarzt die Behandlung der beiden Polizisten übernommen hatte, war ihr klar gewesen, dass Henning doch schwerer Verletzt worden war als anfänglich gedacht. Franco hatte sich Vorwürfe gemacht weil er nicht nach Henning gesehen hatte. Tom hatte ihn einfach zu sehr beschäftigt und da Marion mit den vier Polizeibeamten bei den beiden verletzten Angreifern gebunden war, hatten sie zu spät gemerkt das Henning stark blutete. Als Marion nach einen Folgeeinsatz zur Wache zurück gekommen war, hatte Karin zum Glück schon auf sie gewartet und sie abgelöst. Dennis hatte sie mit dem ELW ins Krankenhaus gefahren, wo sie seither saß und auf Neuigkeiten wartete. Da man sie kannte, war ein Arzt so nett gewesen und hatte sie kurz informiert. Sie hatte sogar die CT Aufnahmen von Henning sehen dürfen. Sie musste kein Arzt sein um Anhand der Aufnahmen sagen zu können, das es schlecht um Henning stand. Die Nase war zertrümmert und Knochensplitter bis ins Gehirn vorgedrungen. Dadurch war es zu starken Blutungen gekommen und er hatte einiges an Blut verloren. Wie schwer die Verletzungen im Gehirn wirklich waren, die durch die Knochensplitter verursacht worden waren, konnte erst die Operation sagen. Durch die Schwellung und das viele Blut waren die CT Aufnahmen sehr ungenau und für bessere Aufnahmen mit einem Kontrastmittel war natürlich nicht die Zeit gewesen. Daher musste Marion warten und hoffen das Henning diesen Vorfall überleben würde. Und das ohne schwerwiegende Folgeschäden, die ihn vermutlich zu einem Pflegefall machen würden.
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Schicksalhafte Begegnung
FanfictionDas Schicksal meint es nicht immer gut mit einem und für den ein oder anderen hat es sogar mehr Negatives parat, als so manch einer ertragen kann. Doch nur wenn es ganz dunkel ist kann man die volle Pracht der Milchstraße am Himmel leuchten sehen. O...