Kleine Schritte vorwärts

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Am Abend wurde Henning wieder wach. Die Uhrzeit wusste er natürlich nicht, doch Marion war plötzlich wieder da und erklärte ihm, dass sie gerade ihre Spätschicht hinter sich gebracht hatte. Dadurch wusste er das es 21 Uhr war, woher er diese Gewissheit hatte konnte er nicht sagen. Aber irgendwie wusste er das die Mitarbeiter des Rettungsdienstes eine Stunde vor den Polizeibeamten Feierabend hatten. War das schon immer so gewesen? Eigentlich hatte er auf der Wache Pohl doch nur sporadisch mit dem Rettungsdienst zu tun gehabt, warum wusste er dann deren Schichtzeiten?
Vorsichtig versuchte er ein paar Worte zu flüstern, was zu seiner Freude tatsächlich funktionierte. Auch Marion freute das merklich. Nun konnten sie sich immerhin miteinander verständigen, auch wenn Hennings Stimme noch so leise und schwach war.

Er hatte einen wirklich komischen Traum gehabt, an den er nun denken musste. Er war mit einer rothaarigen Frau, die mehr als ein Kopf kleiner als er war zusammen am Rhein spazieren gegangen. Es war bereits dunkel und hatte leicht angefangen zu schneien. Als sie an einem Aussichtspunkt ankamen, an dem man die beleuchtete Hohenzollernbrücke und den Kölner Dom betrachten konnte, waren sie stehen geblieben und er hatte die ihm aktuell völlig unbekannte Frau geküsst.

„Konntest du dich an noch etwas Neues erinnern?"

Fragte Marion ihn hoffnungsvoll. Noch ganz in Gedanken versunken erzählte Henning ihr flüsternd von dem merkwürdigen Traum. Irgendwie musste er einen ziemlich kitschigen Liebesfilm mit seinem wahren Leben vermischt haben, woher sonst kam dieser Traum?

„Ja es war wirklich ein absolut kitschiger Abend."

Stimmte Marion lachend zu.

„Du hattest mich zu einem Abendessen überredet  und mich zu einem polnischen Restaurant eingeladen. Danach hat es angefangen zu schneien und wir sind noch ein Stück spazieren gegangen. Es war wirklich fast schon zu perfekt."

Erklärte sie mit einem hörbaren Lächeln auf dem Gesicht. Henning wandte ihr sein Gesicht zu, er hatte nicht erwartet das sein Traum tatsächlich der Realität entsprochen hatte. Dafür war er wirklich zu schön gewesen. Außerdem entsprach die rothaarige Frau ganz und gar nicht den Typ Frauen mit denen Henning ansonsten angebändelt hatte. Er zog meistens eher Frauen an, die extrem auf ihr Äußeres achteten und denen man ansah das sie viel Zeit beim Kosmetiker oder Frisör verbrachten. Das war Henning zwar überhaupt nicht wichtig und er fand das Marion wie er sie in seinem Traum gesehen hatte durchaus eine sehr hübsche Frau war, doch solche Frauen standen einfach nicht auf Männer wie ihn. Solcher Frauen waren mit Mitte dreißig schon glücklich verheiratet und hatten ein oder zwei Kinder.

„Musst du nicht nach Hause? Du hast doch sicher einen Ehemann und Kinder?"

Fragte er heißer flüsternd nach.

„Henning, ich bin seit etwas mehr als einem Jahr mit dir zusammen. Was denkst du von mir? Ich bin seit einigen Jahren geschieden und habe keine Kinder. Wir wohnen seit einem Jahr zusammen. Ich habe zwar noch eine Wohnung, aber eigentlich wohne ich komplett bei dir im Haus. Niemand wartet auf mich und ich bin bei dir weil du mir wichtig bist."

„Wir sind zusammen?"

Fragte Henning noch einmal nach, fast als wäre er etwas begriffsstutzig. Tatsächlich schien sein Hirn Informationen ungewöhnlich langsam zu verarbeiten.

„Ja ... findest du das so schlimm?"

Man konnte Marion anmerken das seine erneute Nachfrage ihre Gefühle verletzt hatten und sie nun zu zweifeln schien was der Henning der nun vor ihr lag von ihr halten würde.

„Nein wirklich nicht. Aber ... naja bisher habe ich nur den Typ Frauen angezogen, die mehr auf sich selbst geachtet haben als auf irgendjemanden um sich. So wie ich dich in meinem Traum gesehen habe, würde ich dich als den Typ Frau einschätzen die man heiraten möchte und mit der man eine Familie gründet. Ich hatte nie das Glück das so eine Frau sich für mich interessiert, auch wenn ich es mir oft gewünscht habe. Daher bin ich nicht davon ausgegangen das sich das in den Jahren an die ich mich noch nicht erinnern kann geändert hat ..."

Schicksalhafte BegegnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt